Verfasser und Illustrator: Rüdiger F. Dreyhaupt

(Nach einer Idee von Norman M. Martin, übersetzt von Erich Dieter Linder)

 

Deutsche Nationalflaggen

Vom Mittelalter bis zum Zweiten Weltkrieg

 

Teil V: Flaggen der Weimarer Republik

B) Die Weimarer Republik

 

Der Krieg hatte alle Lebensbereiche durchdrungen und die Zivilbevölkerung wurde in einem bis dahin nicht gekanntem Maße in den Krieg mit einbezogen (Mangelwirtschaft, Rationierung von Lebensmitteln, Hunger, Frauenarbeit, Propaganda und intensive psychologische Kriegführung, Bombardierung von Städten etc. etc.).

 

Nachdem das deutsche Heer seit dem 8. August 1918 - dem "Schwarzen Tag des Heeres" - auf dem Rückzug war und die  Oberste Heeresleitung (OHL) unter FM v. Hindenburg und seinem Hauptverantwortlichen, Generalquartiermeister v. Ludendorff, am 29. September 1918 völlig überraschend erklärte, dass die Fortführung des Krieges aussichtslos und nicht mehr zu gewinnen sei, dies mit der Forderung nach sofortigem Waffenstillstand verband und die deutsche Bevölkerung erkannte, dass sie jahrelang belogen und betrogen und der parlamentarische "Burgfrieden" schamlos missbraucht worden war, hatte niemand mehr den Willen und die Kraft die jahrelangen Belastungen, Einschränkungen und Entbehrungen des Krieges weiterhin zu tragen. Es herrschte tiefe Enttäuschung über das Versagen des Heeres, der Politiker und des Kaisers, wie die Lügen der Kriegspropaganda, denen das Volk bis zuletzt Glauben geschenkt hatte.

 

Man erwartete, ja verlangte nun von Kaiser, Militär und Politik einen sofortigen Friedensschluss und die Abdankung Kaiser Wilhelms.

 

Um aber das Heer vom Makel der Niederlage freizuhalten lancierte Ludendorff die berüchtigte und verlogene "Dolchstoßlegende", nach der nicht die Truppe im Felde am herrschenden Desaster Schuld sei, sondern die Heimat sei unter der Last des Krieges eingebrochen und habe dem siegenden Heer den Dolch in den Rücken gestoßen. Er machte die Politiker verantwortlich und forderte eine sofortige Parlamentarisierung der Regierung sowie umgehenden Friedensabschluss. Die Regierung  sollte nun für den Schaden, den die OHL angerichtet hatte, gerade stehen! Und das gelang, woran die Weimarer Republik noch schwer zu tragen hatte.

 

Ludendorff wurde nach weiteren Eigenmächtigkeiten durch den Kaiser seines Postens enthoben und setzte sich nach Schweden ab.

 

In der Kriegsmarine, die sich als unbesiegt betrachtete, favorisierte man Pläne, wie übrigens auch in der Royal Navy, für eine alles entscheidende letzte Schlacht, um sich doch noch im vermissten Glanz eines Sieges sonnen zu können. Dies lässt tiefe Einblicke in die Gefühls-, Gedanken- und Vorstellungswelt, das Selbstvertrauen wie Realitäts- und Verantwortungsbewusstsein der Marineleitung besonders den ihr anvertrauten Schiffsbesatzungen gegenüber zu. Als dann am 29.10.1918 Flottenbefehl zum Auslaufen gegeben wurde, der weder mit der OHL noch mit der Regierung in Berlin abgesprochen war, kursierten heroische Selbstvernichtungsgerüchte. Niemand war so kurz vor Kriegsende noch gewillt  Kopf und Kragen, sprich, sein Leben zu riskieren. Die Heizer in Wilhelmshaven und Kiel löschten die Feuer unter den Kesseln und die Mannschaften widersetzten sich den Befehlen ihrer Vorgesetzten. Aber erst als die Verhafteten wegen Meuterei vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollten, somit deren Erschießung drohte und die Freilassung fordernden Kameraden beschossen wurden, brach in Wilhelmshaven, Lübeck, Hamburg, Cuxhaven und in Kiel am 4.11.1918 der Matrosenaufstand los, wurde die kaiserliche Kriegsflagge niedergeholt und eine rote Fahne (des proletarischen Protestes) aufgezogen. Kenner der Lebensumstände der Mannschaften an Bord von Kriegsschiffen können sich darüber nicht wundern.

 

Die einfache rote Farbe hatte sich in der französischen Februar-Revolution 1848 endgültig als Zeichen des politischen Protestes und des Proletariats durchgesetzt (Abb. 109).

 

Es könnte nun mitunter der Eindruck entstehen, dass es sich bei den Matrosenprotesten um die Durchsetzung marxistisch-sozialistischer Forderungen gehandelt habe, weit gefehlt! Die opponierenden Soldaten und Arbeiter, die sich den Soldaten angeschlossen hatten, standen politisch im Wesentlichen hinter der SPD-Reichstagsmehrheit und waren politisch kaum aktiv. Sie traten hauptsächlich für sofortige Kriegsbeendigung, die Freilassung der verhafteten Kameraden und beschleunigte Demokratisierung des Reiches ein. Für Frieden und Demokratie aber gab es keine Symbole, daher das sozialistische Rot.

 

Dieser Matrosenaufstand, dem sich die Arbeiterschaft und von der Front zurückkehrende Truppenteile umgehend anschlossen, und der sich des im Kriege bereiteten Nährbodens wegen wie ein Lauffeuer im Reich ausbreitete und als "November Revolution" apostrophiert wird, war keine! Niemand dachte an Umsturz, was aus den veröffentlichten Forderungen der Matrosen auch eindeutig hervorgeht. Das kam erst später, als andere Kräfte die Chance nutzten und  im ganzen Reiche überall nach sowjetischem Beispiel Arbeiter- und Soldatenräte gebildet wurden, die die politische Macht in Händen hielten, kamen revolutionäre Elemente hinzu. Hier radikalisierten sich vermehrt Gruppen (USPD, Spartakus u.a.), um den Umsturz zum Rätestaat sowjetischen Vorbilds anzustreben. Überall beherrschten die roten Fahnen das Bild und wurden teilweise auch auf Amtsgebäuden gezeigt, wenn Schwarz-Weiß-Rot auch nicht abgeschafft war. Es bestand die akute Gefahr einer Bolschewisierung Deutschlands.

 

Für den 9. Nov. 1918 hatte die USPD zum Generalstreik aufgerufen, was gefährlich werden konnte.

 

Unter diesem Eindruck und der negativen Ereignisse zuvor in Russland konnte die fortschreitende Auflösung und der Verfall staatlicher Autorität  durch Einsetzung von Arbeiter- und Soldatenräten dem Bürgertum und der Sozialdemokratie, der stärksten Fraktion im Berliner Reichstag, nicht gleichgültig sein, zumal Ebert, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, alles andere als ein Umstürzler war. So versuchten besonders die Sozialdemokraten dem Gang in Chaos und Anarchie  Einhalt zu gebieten und die Regierungsgewalt unter ihrem Einfluss wie auch Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Dies gelang durch vorzeitigen und freiwilligen Rücktritt des amtierenden Reichskanzlers Prinz Max von Baden, der zuvor noch auf Drängen Eberts die Abdankung des Kaisers - ohne dessen Einwilligung - erklärt hatte, und Eintritt des sozialdemokratischen Fraktionsführers Friedrich Ebert in das Reichskanzleramt. Keiner dieser Schritte war zu dieser Zeit durch die Verfassung gedeckt. Zudem hatte Philipp Scheidemann, überstürzt und ohne Abstimmung mit Ebert, am 9.11.1918 die Republik ausgerufen. Damit nahm man aber dem drohenden Sturm die Kraft und die Räte kamen mehrheitlich wieder unter SPD-Einfluss. Ziel war es die staatliche Ordnung zu demokratisieren, nicht umzustürzen.

 

Die Ausrufung der Sozialistischen Republik Deutschland am gleichen Tage durch den radikalen Arbeiterführer Karl Liebknecht hatte keine Bedeutung mehr.

 

Gefährlicher waren da die gut organisierten "Revolutionären Obleute" in den Betrieben. Diese besetzten kurzerhand das Parlament und fassten den Beschluss, am nächsten Tag im Zirkus Busch eine provisorische Regierung zu wählen, den Rat der Volksbeauftragten, der die reformerische Regierung Ebert ablösen sollte. Durch Mobilisierung der Parteimitglieder und der Arbeiter- und Soldatenräte noch in derselben  Nacht wurde dies vereitelt und die SPD am 10. Nov. 1918 mehrheitlich in den Rat der Volksbeauftragten gewählt, der provisorischen Regierung, in dem Ebert den Vorsitz gewann.

 

Die Gefahr der Radikalisierung nach links war damit gebannt, der Hass aber zwischen Rechten, Reformsozialisten und Linken hatte erneut Nahrung bekommen und in manchen Regionen nahmen die Konfrontationen bürgerkriegsähnliche Formen an.

 

Der Rat der Volksbeauftragten erließ keine Verordnungen oder Bestimmungen über politische Symbole. Weder wurde Schwarz-Weiß-Rot verboten, noch wurde Rot oder Schwarz-Rot-Gold zur Nationalfarbe bestimmt. Mit Beschluss vom 24.11.1918 wurde lediglich empfohlen "als Sinnbild des Neugewordenen" die Flaggen mit roten Wimpeln zu versehen und dass man für öffentliche Gebäude erwarte, dass dieser Empfehlung Folge geleistet werde. [1] )

 

Der Gebrauch von Schwarz-Weiß-Rot  erfolgte offenbar nur noch an der Front und von heimkehrenden Fronttruppen zu Gunsten von sonst einfachen, roten  und vereinzelt auch bereits Schwarz-Rot-Gelben Fahnen, für die sich bereits am 9.11.1918 die Alldeutschen Blätter und am 16.11.1918 die Deutsche Zeitung eingesetzt hatten. Auch ein gewisser Dr. Theodor Heuss, späterer erster Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, forderte die alten deutschen Farben zu hissen und an 1848 anzuknüpfen.

 

Die endgültige Entscheidung über die künftigen Staatsinhalte, parlamentarische Demokratie oder Diktatur des Proletariats, der Fortdauer der Räteherrschaft oder Einberufung einer Nationalversammlung, Unterdrückung anderer, nichtsozialistischer Klassen oder  Anwendung der Grundsätze sozialer Politik, fiel auf dem Berliner Rätekongress vom 16. bis 20.12.1918, der sich mit überwiegender Mehrheit für Wahlen zu einer Verfassunggebenden Nationalversammlung aussprach, die  u.a. vom mehrheitlich mit SPD-Vertretern besetzten Rat der Volksbeauftragten, vorbereitet werden sollte.

 

Die Vertreter der linksradikalen USPD konnten sich im Rat der Volksbeauftragten nicht durchsetzen und waren auch mit dem Bündnis Eberts mit der Obersten Heeresleitung nicht einverstanden. Sie traten aus der Provisorischen Regierung aus und verlegten den Kampf um die Gestaltung des zukünftigen Deutschlands auf die Straße. Initiiert von der USPD, den Kommunisten (Spartakusbund und KPD) und den Revolutionären Obleuten kam es bereits im Dezember 1918, besonders aber am 5. und 6. Jan. 1919 zu Massendemonstrationen der Arbeiter in Berlin, Spartakusaufstand genannt, der von Freiwilligenverbänden unter Führung aktiver Offiziere blutig niedergeschlagen wurde. Dies war auch der Anlass für die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg durch Reichswehrangehörige.

 

Die Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung am 19. Jan. 1919 ergaben ein klares Bekenntnis zum Prinzip der Parlamentarischen Demokratie und erteilten den Radikalen eine ebenso klare Absage. Sie führten zu einer Koalitionsregierung zwischen Sozialdemokraten, Deutschen Demokraten und Zentrumsparteien. Als Tagungsort wurde das ruhige Weimar bestimmt, da in Berlin noch Unruhen herrschten und Räte amtierten. Diese Entscheidung kann auch als Loslösung von der bisherigen preußisch-militärischen Tradition verstanden werden.

 

Am 6. Februar 1919 trat die Nationalversammlung im Nationaltheater in Weimar erstmals zusammen und wählte Friedrich Ebert zum vorläufigen Reichspräsidenten. Der Rat der Volksbeauftragen gab sein Mandat zurück.

 

Wenn auch von der breiten Mehrheit das Reich nicht infrage gestellt wurde, so ging der Streit jedoch um so heftiger um die neuen Staatsinhalte.

 

So konnte der Verselbständigungsdynamik von Arbeiter- und Soldatenräten nicht so schnell Einhalt geboten werden, auch die Unruhen in Berlin dauerten weiter an. Hervorgegangen aus einer Militärrevolte am 6. Nov. 1918 in Bremen und der seitdem gemeinsamen Staatsregierung mit dem Bremer Senat, rief der Arbeiter- und Soldatenrat am 10. Jan. 1919 die Räterepublik in Bremen aus und grenzte sich damit von der Reichsregierung ab. Diese konnte den Bremer Arbeiter- und Soldatenrat aber bereits am 4. Februar 1919 stürzen.

 

Ganz so einfach ging es in Bayern z. B. nicht. In der Folge der Ermordung des bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner am 4. Febr. 1919  rief der Münchner Zentralrat der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte am 7. Apr. 1919, mitten im Herzen des an sich konservativ geprägten Bayern, die Münchner Räterepublik aus. Diese verfügte sogar über eine eigene "Rote Armee", deren Stabssiegel überliefert ist (Abb. 110). München wurde daraufhin am 2. Mai 1919  von Regierungstruppen besetzt. Bemerkenswert  hierbei ist, dass die Regierungstruppen in diesem Kampfe zur Unterscheidung zum Rot der Räterepublik weiße Fahnen führten (Abb. 110a).

 

Inzwischen war der Kaiser, der für das Volk zum Symbol allen Unheils geworden war, ins Hauptquartier nach Spa abgereist und wollte in völliger Verkennung der Lage an der Spitze seiner Truppen für Ordnung im Reiche sorgen, bis v. Hindenburg ihm klarmachte, dass das Heer nicht mehr hinter ihm stand. Offenbar jeglicher Erkenntnis unzugänglich wollte er nicht zurücktreten, so dass sich der Reichskanzler Max v. Baden, da die Zeit drängte,  am 9. Nov. 1918 gezwungen sah, die Abdankung des Kaisers und den Thronverzicht des Kronprinzen von sich aus bekannt zugeben.  Nach langem Zögern verließ Wilhelm II. Spa am 10. Nov. 1918 auf konspirative Weise Richtung holländische Grenze und bat im Wissen um das Schicksal seines Vetters, Zar Nicolaus II, welcher kurz vorher mitsamt seiner Familie von Rotarmisten ermordet worden war, die niederländische Königin Wilhelmina um Asyl. Dies wurde ihm am 18. Nov. 1918 gewährt und Wilhelm II. verbrachte den Rest seines Lebens auf seinem Anwesen "Haus Doorn" bei Utrecht. Unfähig Schuldgründe für den Zusammenbruch zu akzeptieren gab er den antisemitischen Strömungen jener Zeit bereitwillig folgend den Juden alle Schuld und nannte sie in einem Schreiben an den GFM v. Mackensen den "Giftpilz am deutschen Eichbaum".

 

Besonderen Wert legte er auf den Sachverhalt, dass er zwar als Deutscher Kaiser, nicht aber als Preußischer König abgedankt habe. Als solcher führte er eine eigene Standarte (Abb. 111). Sie datiert vom 16.3.1844  und war das Vorbild für die Kaiserstandarte vom 1871.

  

Eigene Standarten hatten auch seine Frau, die Königin Auguste Viktoria (Abb. 112). Auch sie war Vorbild für die Kaiserinstandarte des Dt. Reiches gewesen.

 

Die übrigen Prinzen und Prinzessinnen des Hauses Preußen führten eine weiße Flagge (Abb. 113) von der es eine Variante gibt, die der unglückliche 33-Tage-Kaiser Friedrich III als preußischer Kronprinz geführt hat. Wie bei der Kronprinzenstandarte des Dt. Reichs hatte er einen roten Rand um das Preußische Wappen seiner Standarte gelegt (Abb. 114). 

 

Bereits vorher war die deutsche Waffenstillstandsdelegation - Politiker, nicht etwa Militärs! - im Wald von Compièngne bei Versailles, dem Hauptquartier des Oberbefehlshabers der Alliierten Truppen, dem französischen Marschall Ferdinand Foch, angekommen. Von den Militärs wurden Rang- und Erkennungszeichen geführt:

Abb. 115 : Mareshall Ferdinand Foch, die Trikolore mit gekreuzten Marschallstäben im weißen Streifen.

Abb. 116 : Engl. den "Union Jack" mit dem Royal Crest in der Mitte und

Abb. 117 : USA, mit vier weißen Sternen balkenweise im roten Feld.

Die deutschen Offiziere hatten außer bei der Marine noch keine Rangflaggen.

 

Foch übergab den Deutschen in seinem Eisenbahn-Salonwagen die Waffenstillstandsbedingungen der Alliierten. Obwohl der amerikanische Präsident Wilson gewarnt hatte, waren diese  Bedingungen hart und gaben den Deutschen die Schuld an fast allem. Sie fällten eine moralische Verdammung und Versailles geriet so zum nationalen Trauma für die Deutschen. Sie bargen denn auch den Keim zur nächsten, noch viel grausameren Auseinandersetzung.

 

Die Entwicklung in Deutschland hatte eine ungünstige Wirkung auf die Verhandlungsmöglichkeiten der Delegation, auch wurde die geschichtliche Verantwortung durch die zivile Delegationsführung verhängnisvoll verschleiert, woran die Weimarer Republik noch schwer  tragen sollte.

 

Am 11. Nov. 1918 unterzeichnete Matthias Erzberger diese Bedingungen im Auftrag v. Hindenburgs und in Anbetracht des angedrohten Einmarsches alliierter Truppen nach Deutschland gerade noch rechtzeitig, dies zu verhindern. Der Waffenstillstand wurde von vielen Deutschen nicht verstanden und als "Schanddiktat" angesehen, die Unterschrift aber als "Novemberverbrechen" gebrandmarkt. Erzberger wurde  dann 1921 von einem rechtsextremen Offizier als "Novemberverbrecher" ermordet. 

 

Dies tangiert eines der scheußlichsten Kapitel der Geschichte der Weimarer Republik, das der politischen Morde. Dieser wurde besonders in rechtsextremen Kreisen offensichtlich als ganz legales Mittel der Politik angesehen und auch umgesetzt.

 

Der Artikel 23 des Waffenstillstandsvertrages vom 11.11.1918 legte fest, dass der Großteil der deutschen Kriegsflotte zu internieren sei, ohne Angaben zum endgültigen Verbleib. Im Glauben an eine Art Beuge- haft, aus der man bald wieder freikommen würde, wurde diese Bestimmung widerstandslos befolgt, zumal die Schiffe aus England alsbald in norwegische, also neutrale Häfen verbracht werden sollten.

 

Am 19.11.1918 erfolgte so die Überführung  zum Firth of Forth, nahe Edinburgh, unter der Reichskriegsflagge, nachdem die Soldatenräte von ihrer Forderung, die rote Flagge zu setzen, abgegangen waren. Sie wäre wohl nach internationalem Recht als Piratenflagge angesehen und sofort beschossen worden. Auch ein anfangs im Vortopp gesetzter roter Wimpel wurde aus ähnlichen Bedenken alsbald wieder eingeholt.

 

Vor dem Firth of Forth erging am 21.11.1918 durch England der  Befehl zum Einholen der deutschen Kriegsflagge, nicht aber der Kommandozeichen, was sich noch rächen sollte.

 

Die deutsche Flotte wurde unter enormer Escorte zum Ankerplatz der Royal Navy, Scapa Flow, auf den Orkney-Inseln verbracht, wozu Admiral Beatty eigens einen Überführungsplan entwarf (Abb. 118). Die Royal Navy führte ähnliche Flaggen wie die dt. Kriegsmarine (Abb. 119 bis 124).

 

Nachdem klar wurde, dass eine zunächst von Briten und Amerikanern favorisierte Versenkung auf hoher See zugunsten einer Aufteilung der Flotte unter den Alliierten im Verhältnis der Kriegsverluste aufgegeben war, wovon Italiener und Franzosen zum Nachteil der Briten profitiert hätten, also eine Rückgabe der Flotte ausgeschlossen war, auch eine Verlegung in norwegische Häfen nicht stattgefunden hatte und die Annahmefrist für den Friedensvertrag der Entente-Mächte am 21.6.1919, 12 Uhr, ergebnislos abgelaufen war, gab der dt. Flottenbefehlshaber, Konteradmiral v. Reuter, in Unkenntnis einer gewährten Fristverlängerung, den vorbereiteten Selbstversenkungsbefehl an seinen Verband. Er wurde unter der entgegen britischem Befehl aufgezogenen Reichskriegsflagge ausgeführt. Diesen Vorgang schildernde Gemälde zeigen auch rote Flaggen.

 

Die Briten hatten diesen Vorgang nicht aktiv unterstützt, aber auch nicht vorbeugend verhindert, oder die Kommandogewalt entzogen (s. Einholung der Kommandoflaggen). Das Echo in Deutschland war geteilt

bis kritisch. Die Erinnerung verblasste rasch.

 

Ferner sollte auch Handelstonnage abgeführt werden. Es wird berichtet, dass dies unter einer weiß-blau-weiß bzw. blau-weiß-blau horizontal gestreiften Flagge erfolgte (Abb. 125 u. 126). Nachweise stehen aber aus. -

 

In Weimar nun zeigten bereits die zahllosen Debatten die erheblichen Meinungsverschiedenheiten über die neu einzuführenden politischen Symbole.

 

Die Deutschnationale Volkspartei und einige aus der Demokratischen Partei forderten die Beibehaltung von Schwarz-Weiß-Rot.

 

Die Sozialdemokratie und das bürgerliche Zentrum favorisierten die Einführung von Schwarz-Rot-Gold,

 

während  die unabhängigen Sozialisten und die ausgesprochen linksgerichteten Gruppen und Parteien für Rot als Reichsfarbe stritten.

 

Die radikalsten Gegner des Versailler Vertrages und die Anarchisten forderten Schwarz.

 

Der Ausbruch des 1. Weltkrieges hatte unter dem nun geforderten Selbstbehauptungswillen und den damit verbundenen Erfolgen  einen starken Aufschwung der schwarz-weiß-roten Farben gebracht, welche sich durch die Kriegsgeschehnisse in den Streitkräften und der Bevölkerung zu den deutschen Farben schlechthin entwickelten. Aber sie standen bei Kriegsende auch für das Versagen des dt. Kaisertums und des Reichstages, das militärische Erlahmen angesichts großer, entscheidender Aufgaben, Irreführung der öffentlichen Meinung und schließlich für die militärische Niederlage und den Zusammenbruch des Kaiserreiches. Außerdem verkörperten sie eine konservative Einstellung und Geisteshaltung.

 

Schwarz-Rot-Gold war nach dem gescheiterten Aufbruch 1848 mehr als zwei Generationen und einen Weltkrieg später kaum noch in der Erinnerung der Bevölkerung verhaftet und musste durch Rückbesinnung wiederentdeckt werden. Es stand für eine demokratische Entwicklung, mehr individuelle Freiheiten, sozialen Fortschritt und fortschrittlich-liberales Gedankengut.

 

Die roten Fahnen aber verkörperten Opposition und eher recht radikale Reformen und Umwälzungen, die Diktatur des Proletariats, standen für Klassenkampf, Kommunismus und Unterdrückung Andersdenkender, für radikalsozialistische, bolschewistische Überzeugungen und Abkehr von Demokratie und Liberalismus, für die Räteherrschaft.

 

Schwarz war seit ca. 1880 die Farbe des Anarchismus, hatte sich in Deutschland aber auch generell zur Farbe des politischen Protestes entwickelt und war bereits in den Baueraufständen gebraucht worden. Sie wurde als Symbol gegen das "Schanddiktat von Versailles" verstanden.

 

Die entscheidende Abstimmung im Parlament am 3. Juli 1919 ergab eine Mehrheit von 211 Stimmen für Schwarz-Rot-Gold bei 90 Gegenstimmen. Bei der Handelsflagge wurde allerdings ein Kompromiss geschlossen, der den Keim für weitere Auseinandersetzungen trug: Artikel 3 der Reichsverfassung vom 11. Aug. 1919 bestimmte: "Die Reichsfarben sind Schwarz-Rot-Gold (Abb. 127).  Die Handelsflagge ist schwarz-weiß-rot mit den Reichsfarben in der oberen inneren Ecke." (Abb. 128 ) Die Verfassung trat am 19. Aug. 1919 in Kraft. Beide Flaggen waren in Gebrauch de facto bis 31.1.1933  und de jure bis April 1933.

 

Bei beiden Flaggen handelte es sich um in gleicher Breite horizontal dreifach gestreifte Trikoloren im Größenverhältnis 3 : 5 für die Nationalflagge und 2 : 3 für die Handelsflagge. Die Oberecke der Handelsflagge, die durch einen 2 cm breiten senkrechten weißen Streifen vom schwarzen Horizontalstreifen getrennt ist, belegt 3/5 der Höhe des Streifens und ist einschließlich des weißen Streifens so lang wie die Höhe des schwarzen Streifens.

 

Im Erlass des Reichspräsidenten vom 27. Sept. 1919 werden erste Flaggen festgesetzt:

 

Die Flagge des Reichspräsidenten (Abb. 129) in den Reichsfarben horizontal gestreift und in der Mitte belegt mit dem neuen Reichsadler auf  einem hochrechteckigen gelben, weiß eingefassten Feld von 1/2 der Flaggenhöhe und 1/4 der Flaggenlänge, je zur Hälfte in den schwarzen und gelben Streifen hin- einragend. Die Breite der weißen Umrandung beträgt 1/60 der Flaggenhöhe.

 

Die Flagge des Reichswehrministers (Abb.130) in den Reichsfarben in der Mitte belegt mit einem Eisernen Kreuz dessen Durchmesser 2/3 der Flaggenhöhe beträgt.

 

DieReichskriegsflagge(Abb. 131) nach dem bisherigen Muster mit folgenden Abweichungen: Im Obereck nun die neuen Reichsfarben mit dem Eisernen Kreuz und in der Mitte der neue Reichsadler auf einer weißen Scheibe (veröffentlicht mit Bekanntmachung des Reichspräsidenten vom 11.Nov. 1919), Maßverhältnisse 3 : 5.

 

Die Kriegsgösch (Abb. 132) nach dem bisherigen Muster schwarz-weiß-rot horizontal gestreift mit dem Eisernen Kreuz in der Mitte je bis zur Hälfte in den schwarzen und roten Streifen übergreifend. In der Oberecke die Reichsfarben Schwarz, Rot und Gelb, hier aber die gesamte Höhe und 1/3 der Länge des schwarzen Streifens einnehmend. Die weiße Trennung entfällt hier. Maße der Flagge abweichend 2 : 3.

 

Alle Flaggen waren auf ein Maßverhältnis von 3 : 5 ausgelegt., soweit nicht anders angegeben. Der Einführungszeitpunkt der neuen Reichskriegsflagge und Gösch wurde vorbehalten. Die alten Kriegsflaggen waren bis dahin weiterzuführen (s.a. Ausführungsverordnung zum Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichsmarine vom 16. April 1919, Marineverordnungsblatt 1919, Seite 195). [2]) Die Flaggen des Reichspräsidenten und des Reichswehrministers waren unter die Kommandozeichen der Reichsmarine einzuordnen. Ausführungsbestimmungen erfolgten mit Erlass vom 15.10.1919.

 

Im September wurde ebenfalls eine neue Postflagge (Abb. 133) festgesetzt und an 15.10.19 veröffentlicht. [3]) Sie zeigte die Reichsfarben in gleichbreiten horizontalen Streifen auf deren mittlerem, roten Streifen ein weißes Posthorn mit weißer Kordel und zwei weißen Quasten, Mundstück zum Liek gewendet, angebracht war. Hier das Größenverhältnis  2 : 3.

 

Interessant ist auch die behelfsmäßige Anfertigung dieser Flagge. Der herrschende Rohstoffmangel führte zur Verwendung der alten kaiserlichen Postflagge, aus der man den weißen Streifen heraustrennte und die Rundungen mit Stoffteilen gleicher Farbe ausbesserte. Gelb wurde hinzugefügt und das weiße Posthorn aus den verbleibenden weißen Streifen ausgeschnitten und eingenäht. Das kaiserliche Posthorn konnte nicht verwendet werden, da es mit schwarz-weiß-roter Kordel und Quasten versehen war.

 

Diese Flaggengestaltungen - Größe der Oberecke in der Handelsflagge, die Reichskriegsflagge und die Flagge des Reichspräsidenten - sowie die mit Verfassungsbeschluss vom 11. Aug. 1919 und am 19. Aug. 1919 rechtskräftig gewordene Farbenduplizität sorgten für sofortige Reflexion und Widerspruch, zumal sie nach den Mehrheitsverhältnissen im Parlament gar nicht nötig gewesen wäre. Aber einflussreiche Handels- und Schifffahrtskreise, wie auch die wirtschaftlichen Folgen eines Flaggenwechsels in Übersee und die Tatsache, dass die Regierung auf die kaiserlich gesinnten Kreise in Wirtschaft, Administration und Reichswehr, wie auch die Freikorps angewiesen war, führte wohl zu diesem Zwitterbeschluss. Keine Frage auch, dass die Flagge des Reichspräsidenten und die neue Kriegsflagge unmöglich waren. Außerdem wurde die Verbreiterung des roten Streifens in der Postflagge und eine Handelsflagge mit Eisernem Kreuz gefordert. Schlussendlich wurde die Sache an den Reichskunstwart zur Prüfung übergeben.

 

Der Kampf um die "richtige" Flagge aber ging weiter und erreichte kurz vor der 1. Flaggenverordnung des Reichspräsidenten den Höhepunkt. Einflussreiche Kreise suchten bis zuletzt noch Änderungen durchzusetzen.

 

Im November 1920 wurde die Handelsflagge, wie oben beschrieben, endgültig festgelegt. Die Produktion der neuen Reichskriegsflagge wurde kurz vor Einführungstermin eingestellt. Diese sollte wie die Handelsflagge schwarz, weiß und rot sein. [4] )

 

Dies führte zur sog. 1. Flaggenverordnung des Reichspräsidenten der Weimarer Republik vom 11. April 1921, die einige Änderungen brachte und am 31.7.1921 in Kraft trat.

 

Die Nationalflagge wie Abb. 127, aber nun im Größenverhältnis von 2 : 3 (Abb. 127a).

 

Die Standarte des Reichspräsidenten (Abb. 134), völlig neu gestaltet nach dem Staatswappen des Deutschen Reichs (Weimar) ein goldgelbes Quadrat mit dem schwebenden, schwarzen , rot bewehrten und gezungten Reichsadler in der Mitte, aber mit gespreizten Flügeln von je fünf Federn.[5]) Das Ganze eingefasst mit einer roten Umrandung von 1/12 der Standartenhöhe. Diese Standarte entsprach nun dem üblichen Muster für Staatsoberhäupter. Sie wurde 1933 abgeschafft und 1950 für den Bundespräsidenten der BRD wieder angenommen.

 

Die Handelsflagge wie Abb. 128, nun im Verhältnis 2 : 3, auch die Oberecke.

 

Die Handelsflagge mit Eisernem Kreuz (Abb. 135) wie die Handelsflagge, die Reichsfarben in der Oberecke in der Mitte belegt mit einem schwarz-weißen Eisernen Kreuz, in den schwarzen und gelben Streifen je zur Hälfte übergreifend. Maßverhältnis wie 2 : 3. Diese Flagge konnte, wie auch im Kaiserreich, an Schiffsführer verliehen werden, die mit dem Recht zum Tragen der Uniform aus der Marine verabschiedet waren oder dem Beurlaubtenstand angehört hatten.

 

Die Reichskriegsflagge (Abb. 136), nun wie die Handelsflagge, in der Mitte belegt mit einem schwarzen, schwarz-weiß eingefassten Eisernen Kreuz, welches in den schwarzen und roten Streifen je zu 1/3 übergreift. Die Maßverhältnisse des Flaggentuchs sind wie 3 : 5.

 

Die Kriegsgösch wie Abb. 132. Größenverhältnis wie bisher 2 : 3 (Abb. 132a).

 

Die Flagge des Reichswehrministers wie Abb. 130, Maße 2 : 3 (Abb. 130a).

Die Reichspostflagge (Abb. 137) in den Reichsfarben horizontal gestreift, in der Mitte des nun um je 1/5 der Randstreifen verbreiterten roten Mittelstreifens ein gelbes Posthorn mit senkrechter Kordelwicklung und zwei geschlossenen Quasten, alles ebenfalls gelb. Das Mundstück des Horns ist zum Liek gerichtet. Maßverhältnis 2 : 3.

 

Die Dienstflagge der übrigen Reichsbehörden zu Lande (Abb. 138), wie die Nationalflagge, darauf, etwas zum Liek hin verschoben, das Reichswappen, gelb mit schwarzem, rot bewehrtem Adler, bis zu 1/5 in den schwarzen und gelben Streifen hineinreichend. Der Reichsadler in der für Flaggen vorgesehenen Gestaltung. Flaggenmaße 2 : 3.

 

Die Dienstflagge der übrigen Reichsbehörden zur See (Abb. 139) in drei gleichbreiten horizontalen Streifen schwarz-weiß-rot, aber ohne Reichsfarben im Obereck, in der Mitte, etwas zum Liek hin ver- schoben, das Reichswappen, bis zu 1/5 in den schwarzen und roten Streifen übergreifend. Maße 2 : 3.

 

Die Verordnung trat am 01.Juli 1921 in Kraft. Die alten Flaggen konnten noch bis zum 01. Jan. 1922 weitergeführt werden.

 

Dies waren in exakter Ausgewogenheit  fünf schwarz-rot-goldene und fünf schwarz-weiß-rote Flaggen.

 

Mit Verordnung vom 10. März 1922 wurde auch die Lotsensignalordnung abgeändert. Für die Lotsenrufflagge wurde das Wort "Reichsflagge" durch "Handelsflagge" ersetzt. Die Lotsenrufflagge (Abb. 140) war nun die Handelsflagge mit einer weißen Umrandung von 1/5 der Flaggenhöhe.

 

In diesem Zusammenhang änderten auch die Küstenstaaten ihre Seedienstflaggen indem sie teilweise neue Muster einführten oder aber die neue Seedienstflagge mit dem alten Muster kombinierten:

 

Preußen:  Mit Beschluss des Staatsministeriums vom 24.2.1922 wurde eine abgewandelte Landesflagge als Seedienstflagge eingeführt (Abb. 141): Weiß mit je einem schwarzen Rand von 1/6 der Flaggenhöhe unten und oben. Im weißen Feld ein auffliegender schwarzer, goldbewehrter Adler.

 

Oldenburg:  Mit Bekanntmachung des Staatsministeriums vom 3.10.1919 wurde eine Variante der Staatsflagge als Seedienstflagge eingeführt: Blau mit durchgehendem roten Balkenkreuz, auf deren Mitte ein oval gefasstes Oldenburger Wappen in welchem das 2. und 3. Quartier fälschlicherweise als ROT beschrieben war. Dies wurde mit Erlass vom 29.12.1926 geändert in BLAU (Abb. 142).

 

Mecklenburg-Schwerin:  Mit Ministerialerlass vom 12.6.1923 wurde die neue Handelsflagge in der Mitte zu einem Kreis erweitert und mit dem Mecklenburger Stierkopf belegt (Abb. 143). In Kraft getreten am 1.7.1923. Die alten Flaggen konnten noch bis zum 30.6.1923 weitergeführt werden.

 

Hamburg: Mit Beschluss des Hamburger Senats vom 4.11.1921 übernahm Hamburg die Seedienst- flagge des Reichs, ersetzte Schwarz-Rot-Gold aber durch die alte Oberecke, um welche sich nun aber ein 1 cm breiter weißer Saum zog (Abb. 144).

 

Der Hamburger Lotsenflüger (Abb. ) und die Admiralitätsflagge (Abb. ) blieben unverändert.

 

Bremen:  Auch Bremen übernahm die neue Seedienstflagge mit Beschluss des Senats vom 8.11.1921, bekannt gemacht am 11.11.1921 und in Kraft getreten am 1.1.1922. Bremen ersetzte wie Hamburg das Obereck durch sein eigenes Wappen in etwas stilisierterer Form als zur Kaiserzeit (Abb. 145)

 

Die gleiche Flagge, aber mit den roten Buchstaben "Z" und "V" zu Seiten des Reichswappens bildete die Flagge der bremischen Zollverwaltung  (Abb. 146).

 

Die Toppflagge der Lotsen wurde ebenfalls mit dem neugestalteten Wappen versehen, blieb sonst aber gleich (Abb. 147).

 

Lübeck:  Gleichfalls übernahm Lübeck die neue Reichs-Seedienstflagge durch Beschluss vom 24/25.12.1921, ersetzte aber ebenfalls das Obereck durch sein eigenes Wappen - ohne Adler - (Abb. 148). Die Flagge trat mit 1.1.1922 in Kraft.

Diese Flagge mit den roten Buchstaben "L" und "V" bildete die Flagge der lübischen Lotsenverwaltung (Abb. 149), wie diejenige mit den roten Buchstaben "F" und "A" beidseits des Reichswappens diejenige der Fischereiaufsicht der Stadt Lübeck darstellte (Abb. 150).

 

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass das Flaggenbuch von 1926 - MDV 377 - diese Flaggen anders darstellt, was mit den Veröffentlichungen des Reichsministeriums des Innern nicht übereinstimmt.

 

Auch die Flaggen des 1914 gegründeten Deutschen Segler Verbandes (Abb. 151) und des Deutschen Motoryacht-Verbandes (Abb. 152) wurden bis zur Reorganisation 1933 weitergeführt.

 

Wer nun aber glaubte, der Streit um die "richtige" Flagge sei damit beigelegt worden sah sich auf´s Heftigste enttäuscht, denn die nun sanktionierte Farbenduplizität und andere Kritikpunkte gaben erneut treffliche Streitobjekte ab:

 

a)  war die Farbkombination Schwarz-Rot-Gold unheraldisch.

b)  Es waren zwei unterschiedliche Nationalfarben festgestellt worden, welche davon war die richtige?

c)  Schwarz/Weiß/Rot und Schwarz/Rot/Gold waren Ausdruck zweier vollkommen unterschiedlicher

     Epochen., die keine Gemeinsamkeiten hatten.

d)  Außerdem verkörperten sie entgegengesetzte Herrschaftssysteme und standen sich feindlich

     gegenüber.

e)  Beide Herrschaftsformen wurden gleichwertig gegenübergestellt. Der Kampf um die monarchistische

     oder die republikanische Staatsauffassung wurde gefördert, um nur ein paar Themen zu nennen.

 

Mit der fortschreitenden Zersplitterung der Parteienlandschaft und der Radikalisierung der politischen Meinungen nahm auch die Vielfältigkeit wie Polarisierung der Auffassungen über die richtige Staatsflagge zu. Schwarz-Weiß-Rot und Schwarz-Rot-Gold wandelten sich eher zu Farben der jeweiligen Streitpartei denn dass sie Nationalfarben waren, zumal die Regierung wenig tat um die Popularität von Schwarz-Rot-Gold zu fördern. Im Gegenteil hatte sie diese schon früh unter speziellen Schutz stellen müssen. Die immer partikularistischer, intoleranter und verhärteter werdenden politischen Standpunkte führten schon früh zu Frontenbildungen mit teils brutalen Auseinandersetzungen auf der Straße, wobei sich besonders die Rechte und die Linke hervortaten und die jeweiligen Fahnen eine große Rolle im Straßenbild spielten. Daran konnte auch die zeitweise vorhandene wirtschaftliche und politische Stabilität der Weimarer Republik bis zur Weltwirtschaftskrise nicht viel ändern. So wurden natürlich auch die Farben von der jeweils anderen Seite nicht nur nicht anerkannt, sondern auch heruntergerissen und geschmäht. So kam es dazu, dass Schwarz-Rot-Gold öffentlich als Schwarz-Rot-Mostricht oder Sch.... abqualifiziert und als "Judenflagge" beschimpft wurde.

 

Integrationsbewusstere versuchten die widerstrebenden Kräfte auszugleichen und durch Errichtung einer Einheitsflagge zu neutralisieren. Die aber andauernden und heftiger werdenden Auseinandersetzungen um die richtige Flagge veranlassten den Reichspräsidenten von Hindenburg 1926 zu einem Aufruf eine einheitliche Flagge als Ausdruck des deutschen Einheitswillens zu schaffen. Dies führte zur Veröffentlichung zahlreicher Abhandlungen und Vorschläge von denen einige unter den Abb. 168 bis 199 wiedergegeben sind.

 

Den Vogel schoss dabei ein unbekannter Genius mit dem Entwurf einer Verbrüderungs-Reichsflagge ab, der meinte, bei gutem Willen könne sich jeder unter einer schwarz, leuchtend hellgelb und roten Flagge das vorstellen, was seiner Auffassung und politischen Empfindung entspreche. Er kannte wohl die Menschen nicht! (Abb. 178)

 

Allgemein unerwartet führten diese Bestrebungen auch zu einer weiteren, der 2. Flaggenverordnung der Weimarer Republik vom 5. Mai 1926, die aber nur geringe Änderungen an den Flaggen vornahm:

 

Der Adler in der Präsidentenstandarte war etwas anders gestaltet und hatte nun sechs statt fünf Federn an jedem Flügel (Abb. 134a), was mit der Veröffentlichung von 1928 wieder eliminiert wurde.

 

Die Flagge der Reichsbehörden zur See (Seedienstflagge) bekam nun auch die schwarz-rot-goldene Oberecke (Abb. 139a).

 

Von brisanter Sprengkraft aber war die Neufassung des Abschnitt IV, Abs. 2 der Verordnung, worin es heißt: "Reichsdienstgebäude können mit der Nationalflagge oder mit der Reichsdienstflagge beflaggt werden. Die gesandschaftlichen oder konsularischen Behörden des Reiches an außereuropäischen Plätzen und an solchen europäischen Plätzen, die von Seehandelsschiffen angelaufen werden, führen außerdem die Handelsflagge."

 

Diese Bestimmung, wonach zur bereits vorhandenen Farbenduplizität nun auch noch eine Duplizität der Flaggenführung im Ausland hinzukam, führte zu einem Sturm der Entrüstung, besonders in Handels- und Marinekreisen, den auch der Reichspräsident v. Hindenburg nicht mehr eindämmen konnte. Die Regierung Dr. Luther stürzte.

 

1927 erhielt die Republik auch ein Reichsbanner für Feierlichkeiten (Abb. 153).

 

Die Streitkräfte

 

a) Die Kaiserliche Armee

 

In der Militärgeschichte erschienen Fahnen, Flaggen und Standarten i.d.R. als Kommando-, Rang-, Erkennungs- und Unterscheidungszeichen und dienten hauptsächlich als Hilfsmittel zur Truppenführung. Nachdem Fahnen nicht mehr mit ins Feld genommen wurden, waren in der Hauptsache nur noch Kommando- und Erkennungszeichen in Gebrauch.

 

Die kaiserlich-deutsche  Armee kannte neben den Regimentsfahnen nur Kommandozeichen bzw. gleichartige  Flaggen für die höchsten Kommandostellen bzw. die kommandierenden Offiziere, soweit man von den Kaiser- und Fürstenstandarten absehen will, die keine eigentlichen Militärflaggen waren. Dies waren:

 

a)  das Armee-(Ober)kommando, Stab (Abb. 156)

b)  das Armee-Korps-Kommando, Generalkommando bzw. Kommando der Panzertruppen, Stab (Abb.

     157) und

c)  das Divisions-Kommando, Stab (Abb. 158)

 

 

Diese wurden entweder am Gebäude des Kommandos befestigt oder auch als Flaggen an Fahnenmasten aufgezogen. In Friedenszeiten wurden sie auch in Standartenform an einem Lanzenschaft befestigt bei den kommandierenden Offizieren getragen. Die Größe betrug 80 x 80 cm bzw. 60 x 80 cm.

 

Rang- oder Erkennungszeichen für Stellung oder Personen gab es noch nicht. Man hatte zwar mit verschiedenen Systemen experimentiert, sie führten aber bis Kriegsende nicht zu einer einheitlichen Regelung. Erst zur Reichswehrzeit legte man ein genaueres Schema für die Kommandoflaggen der oberen Führung und Stabsflaggen für die untere Führung fest.

 

b) Die Reichswehr

 

Nach Gründung der Reichswehr  (Heer und Marine) mit Gesetz vom 23.03.1921 wurden auch neue Flaggen eingeführt. Zunächst wurde mit HV (Heeresverordnung?) 21, Nr. 566 vom 11.4.1921 die mit Erlass vom 27.09.1919 eingeführte Flagge des Reichswehrministers (Abb. 130) endgültig festgesetzt.

 

Die H. Dv. 270 (Heeres Dienstvorschrift ?)  über Bestimmungen für größere Truppenübungen vom 24.03. 1925 legte neue Kommandoflaggen für das Reichsheer fest:

 

Der Chef der Heeresleitung: Abb. 159 u. 159a: Ein goldgelbes Rechteck mit 2,5 cm breitem, schwarzem Rand, 1 cm vom Flaggenrand entfernt. Innerhalb des schwarzen Randes ein 14 cm breites schwarzes Andreaskreuz im Schnittpunkt belegt mit dem Staatswappen, mit schwarzem Adler (16 x 14 cm ) und roter Wehr, umgeben von einem 1 cm breiten schwarzen Rand mittels einer 0,5 cm breiten gold- gelben Einfassung vom Kreuz abgesetzt.  

 

Das Gruppen-Kommando:  Abb. 160 u. 160a:  Ein goldgelbes Rechteck mit dem 23 x 20 cm großen Reichsadler schwebend in der Mitte belegt. In der Oberecke am Schaft die Bezeichnung der Armeegruppe in 7 cm hohen, römischen Ziffer in Schwarz . Es bestanden zwei  Armee-Gruppen.

 

Das Divisions-Kommando:  Abb. 161 u. 162 sowie 161a u. 162a:  Ein goldgelbes Dreieck mit dem Reichsadler, 23 x 20 cm groß, schwebend in der Mitte belegt. Im Obereck am Schaft die Kennzeichnung der Division in 6 cm hohen, schwarzen römischen Ziffern und Buchstaben durch Punkte verstärkt, 1.D. bis 7.D. für die Infanterie-Divisionen und 1.K.D. bis 3.K.D. für die Kavallerie-Divisionen.

 

Die Infanterie-Führer:  Abb. 163:  Ein goldgelber Stander, in der Mitte eine weiße Scheibe von 23 cm im Durchmesser, deren Mittelpunkt 21,5 cm vom Liek entfernt liegt. In der inneren Oberecke die Nummer der Infanterie-Division in schwarzen, römischen Zahlen, 6 cm hoch (I. - VII. Division).

 

Die Artillerie-Führer:  Abb. 164:  Wie bei der Infanterie, die Mittelscheibe aber in roter Farbe.

 

Bei den Kavallerie-Divisionen gab es keine Infanterie- bzw. Artillerie-Führer. Die Flaggengröße betrug:

 

     Am Schaft =  60  x  80  cm

   Am Kfz  =  30  x  40  cm.

 

Die Kommandoflagge war immer mit der Dienststelle verbunden und durfte nur vom Dienststelleninhaber geführt werden. Gleichzeitig konnte die Kommando- oder Stabsflagge als Hinweiszeichen für die Stabsunterkunft , der Dienststelle oder des Truppenteils verwendet werden. Beide Flaggenarten ließen aber kaum Rückschlüsse auf den Dienstgrad des Flaggeninhabers zu. Ablesbar war nur die Truppenformation. Dies änderte sich erst im III. Reich.

 

c)  Die Reichs-Marine

 

In der vorläufigen Reichswehr, 1918/19 bis 1921, führte die Reichs-Marine die altbekannten Flaggen weiter (Ausführungsverordnung zum Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichsmarine vom 16.4.1919), auch die Kaiserliche Kriegsflagge, obwohl mit Erlass vom 27.09.1919 eine neue Kriegsflagge eingeführt worden war, deren Herstellung aber eingestellt wurde. Nähere Ausführungsbestimmungen enthält der Erlass vom 15.10.1919. Am 01.01.1922 traten dann die neuen Flaggen in Kraft (Abb. 130, 131, 132, 136, 165, 166 u. 167).

 

Durch die Bestimmungen des Versailler Vertrages auf 100 000 Mann beschränkt, wurde die Reichswehr aus Berufssoldaten,  Resten der kaiserlichen Truppen, Freikorpsangehörigen und Freiwilligen seit 1919 aufgebaut. Fehlende republikanische Ausrichtung durch die Reichsregierung und unzureichende Loyalität gegenüber den zivilen Gewalten ließen die Reichswehr zum Staat im Staate werden und damit zu einem der Faktoren, die den Zerfall der Weimarer Republik bewirkten.

 

Wird fortgesetzt.

 

Die Abbildung 118 ist vorläufig nicht wiedergegeben, da die Copyright Rechtslage z.Z. noch nicht geklärt ist. Der Aufmarschplan Admiral Beatty´s ist einsehbar in FAZ vom 31. August 1999.


[1]Es wäre interessant ein Dokument ausfindig zu machen welches die Befolgung dieser Anweisung nachweist.

[2]Ich zeige hier bewusst nochmals die kaiserliche Reichskriegsflagge in größerer Darstellung und verweise auf die Abweichungen beim Adler bei derjenigen, die im III. Reich am Skagerraktag von der Kriegsmarine geführt wurde. Hilfsmittel zur Flaggendatierung. (Abb.17a)

[3]Siehe in Archiv für deutsche Postgeschichte 1960, Heft 1

[4]Es wäre interessant zu erfahren, wo diese Flaggen verblieben sind.

[5]Die Bekanntmachung betreffend das Reichswappen und den Reichsadler vom 11. Nov. 1919, Reichsgesetzblatt 1919, Nr. 217, bestimmt: "Die künstlerische Ausgestaltung (des Reichsadlers) bleibt für jeden besonderen Zweck vorbehalten." So wurden in der Weimarer Republik viele verschiedenartig gestaltete Reichsadler verwendet, von denen auch einige in den Flaggen erschienen (s. Abbildungen auf Flaggentafel  Weimarer Republik).


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