Verfasser: Rüdiger F. Dreyhaupt, Norman M. Martin
Übersetzung: Erich Dieter Linder
Vollständige Überarbeitung des Teiles III: Rüdiger F. Dreyhaupt
Deutsche Nationalflaggen
Vom Mittelalter bis zum Zweiten Weltkrieg
Teil III: Norddeutscher Bund und Deutsches Reich bis 1918
Im Jahre 1863 betrieb König Friedrich VII. von Dänemark (1848 - 1863), der auch Herzog von Schleswig und Holstein war, die Änderung der dänischen Verfassung im Sinne "eiderdänischer' Bestrebungen, die darauf abzielten, das Herzogtum Schleswig bis zur Eider in den dänischen Nationalstaat einzuverleiben. Diese Verfassung wurde 1863 (ohne Rücksprache mit den holsteinschen Landesvertretern) vom dänischen Reichstag angenommen, aber erst von Friedrichs Nachfolger Christian IX. Ende desselben Jahres unterzeichnet.
Damit brach Dänemark den in den Londoner Protokollen vereinbarten Status quo, insbesondere die Realunion von Schleswig und Holstein.
Da sich Dänemark aber weigerte diese Verfassung wieder aufzuheben und Holstein ein Gliedstaat des Deutschen Bundes war, beorderte die Bundesversammlung preußisch-österreichische Truppen in das Doppelherzogtum, die am 1. Febr. 1864 die Grenzen überschritten und in den 2. Deutsch-Dänischen Krieg eintraten. Durch schnelle Erfolge, wie dem Fall der starken Befestigungen von Düppel am 18.4.1864, kam es am 13.10.1864 zum Frieden von Wien. Danach wurden Schleswig und Holstein an den Deutschen Bund abgetreten, wobei Schleswig unter preußische und Holstein unter österreichische Verwaltung gestellt wurden. Schleswig-Holstein führte dann von 1865 bis 1868 eine provisorische Handelsflagge, diejenige Dänemarks war verboten, in den schleswig-holsteinschen Farben Blau-Weiß-Rot längsgestreift mit einer gelben Oberecke zur Unterscheidung zur Flagge Mecklenburgs (Abb. 14a).
Preußen behinderte jedoch bewußt die gemeinsame Verwaltung und als Österreich den Holsteiner Landtag einberief, damit er über eine permanente Regierung befinde, brandmarkte Preußen das als Verletzung des Friedensvertrags von Wien und marschierte in Holstein ein.
Nicht aber diese holsteinsche Frage löste den Deutsch-Österreichischen Krieg 1866 aus, sondern der Antrag Preußens im Juni 1866 den Deutschen Bund grundsätzlich zu reformieren, mit dem Ziel Österreich auszuschließen, nachdem Österreich eben solche Bestrebungen in seinem Sinne betrieben hatte. Dies mußte Österreich als Bedrohung seines Führungsanspruchs in Deutschland verstehen und veranlaßte den Deutschen Bund Bundestruppen zu mobilisieren. Preußen trat daraufhin aus den Bund aus. Am 15. Juni 1866 kommt es zwischen Preußen und Österreich zum Krieg.
Nach einem kurzen Krieg - er wird mitunter als Sechswöchiger Krieg bezeichnet - siegte Preußen im Frieden zu Prag am 23.8.1866, der Österreich u.a. Venetien und die Verwaltungsrechte in Holstein kostete. Der Deutsche Bund wurde aufgelöst und Preußen annektierte neben den beiden Herzogtümern Schleswig und Holstein noch Hannover, Hessen-Nassau, die Reichsstadt Frankfurt sowie Kurhessen, womit es zum Großstaat wurde. Infolge dessen schuf Preußen (Bismarck) im Dezember 1866 den Norddeutschen Bund aus allen Staaten nördlich des Mains, der im Norddeutschen Reichstag (Berlin) seine Volksvertretung hatte unter Führung Preußens mit König Wilhelm 1. als Staatsoberhaupt. Als National- und Handelsflagge schlug Preußen, nachdem König Wilhelm den Farben zugestimmt hatte, dem neuen Bündnis die Farbfolge Schwarz-Weiß-Rot vor, welche dann mit der Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 25.6.1867 (Artikel 55) als Bundesflagge verabschiedet wurden. Diese Flagge (Abb. 15) wurde beschrieben als Rechteck mit drei gleich hohen Streifen, von denen der oberste schwarz, der mittlere weiß und der untere rot sein sollte. Die Proportionen beliefen sich auf 2 : 3. Anläßlich der Entstehung des Deutschen Reiches 1871 wurden diese Farben beibehalten und als Nationalflagge durch kaiserliche Verordnung vom 8. November 18926 bestätigt. Mit Verordnung vom 25. Oktober 1867 wurde sie ebenfalls zur ausschließlichen Flagge der Kauffahrteischiffe bestimmt.
Durch Allerhöchsten Präsidial-Erlaß vom 4. Juli 1867 wurde eine neue Flagge für die Kriegsmarine (Kriegsflagge) des Norddeutschen Bundes festgelegt (Abb. 16). Sie zeigt ein Rechteck, dessen weißes Feld durch ein schwarzes, innen weiß und außen schwarz gerändertes, skandinavischen Typs ähnliches Kreuz in vier Quartiere geteilt wird, so daß der Schnittpunkt der Kreuzarme etwas zum Liek hin verschoben ist. Auf dem Schnittpunkt der Kreuzarme liegt eine weiße Scheibe mit dem preußischen Adler, deren Rand durch die gerundete Verbindung der äußeren schwarzen Kreuzränder gebildet wird, im Bereich der weißen Kreuzumrandung aber offen ist. Im oberen Quartier am Liek stehen die Nationalfarben Schwarz-Weiß-Rot, in der Mitte belegt mit einem Eisernen Kreuz, welches bis zur Hälfte in den schwarzen und roten Streifen hineinragt. Die Abmessungen betrugen 3 : 5.Sie wurde am 1.Okt. 1867 erstmals auf den Schiffen der Reichsmarine gehißt.
Mit Allerhöchstem Erlaß vom 2. März 1886 konnte sie auch geführt werden von den Souveränen der deutschen Bundesstaaten, den Prinzen der regierenden Häuser und den Ersten Bürgermeistern der Freien Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck, an Land auch von den Kriegshäfen, Einrichtungen der Marine und Küstenbefestigungen, den Gesandtschaften und Konsulaten, wie bereits das Allerhöchst genehmigte Flaggen- und Salut-Reglement von 1868 festlegt. Mit Verordnung vom 8. November 1892 wird die Führungsberechtigung auf Behörden und Anstalten des Deutschen Heeres erweitert.
Diese Flagge entstand nach einem der unzähligen Entwürfe des preußischen Admirals Prinz Adalbert v. Preußen7 (Abb. 16a), "Marineprinz" genannt, unter persönlicher Einflußnahme König Wilhelm 1., der keinesfalls auf den preußischen Adler und das Eiserne Kreuz sowie die preußischen schwarz-weißen Farben verzichten wollte.
Die Entstehung eines machtvollen Großstaates auf deutschem Boden konnte Frankreich nicht unberührt lassen, mußte es doch um seine Interessen fürchten, was schließlich 1870 zum Deutsch-Französischen Krieg führte an dem alle deutschen Staaten außer Österreich und Liechtenstein teilnahmen. Nach dem Sieg der unter preußischer Führung kämpfenden deutschen Truppen wurde am 18.1.1871 in Spiegelsaal zu Versailles ein neues Deutsches Reich unter König Wilhelm I. v. Preußen als deutschem Kaiser proklamiert. Das Deutsche Reich übernahm die Flaggen des Norddeutschen Bundes unverändert.
Mit Allerhöchster Order vom 19.Dez. 1892 wurde die nun Deutsche oder Kaiserliche Kriegsflagge, später Reichskriegsflagge genannte ehemalige Kriegsflagge des Norddeutschen Bundes mit einem dem Zeitgeschmack besser entsprechendem neuen Adler versehen (Abb. 17), um mit Allerhöchster Order vom 26. Sept. 1903 erneut geändert zu werden. Diese war die Konsequenz aus einem Vorfall, der sich auf See ereignet hatte.
Wie Seefahrende wissen, sind Flaggen auf größere Entfernung und besonders der Licht- und Sichtverhältnisse auf See wegen, oftmals nur sehr schwer zu erkennen, zumal dann, wenn sie sich sehr ähnlich sehen. So hatte die deutsche Kriegsflagge auf große Entfernung eine starke Ähnlichkeit mit dem White Ensign der Royal Navy, was bei Einführung niemandem aufgefallen war. Dies führte dazu, daß ein russisches Kriegsschiff beim Salutieren eines deutschen Geschwaders statt der kaiserlichen die britische Kriegsflagge im Top setzte, was zu jener Zeit einem Affront gleichkam.
Wilhelm II. befahl daraufhin das Flaggenkreuz wesentlich zu verbreitern. Gleichzeitig wurde die Randeinfassung der Mittelscheibe mit dem preußischen Adler ebenfalls verbreitert und nun durchgehend dargestellt (Abb. 17a), so daß die Flagge nicht mehr zu verwechseln war.
Diese Flagge wurde zwar mit dem Sturz der Monarchie außer Dienst gestellt und 1919 durch ein ähnliches Muster ersetzt, von der Marine aber bis 1921/22 weitergeführt. Auch viele Freikorps benutzten die Kaiserliche Kriegsflagge anstelle der neuen Nationalflagge, z.B. hißten die Truppen, die 1920 den antirepublikanischen Kapp-Putsch anführten diese Flagge nachdem sie die neue schwarz-rot-goldene Nationalflagge eingezogen hatten. Zwischen 1926 und 1945 wurde sie auch von der Kriegsmarine zur Erinnerung an den Tag der Skagerrak-Schlacht, dem 31. Mai, als Topp-flagge gehißt.
Die Reichskriegsflagge wird seit einiger Zeit von neonazistischen und anderen rechtsextremistischen Gruppierungen in Ersatz für die verbotene Hakenkreuzflagge als politisches Symbol ohne Rücksicht auf historische Zusammenhänge mißbraucht mit dem Ergebnis, daß diese Flagge nun erstmals auch in einigen Bundesländern verboten ist.
Seit alters her zeigen Kriegsschiffe auf dem Bugspriet eine besondere Flagge, Gösch oder Kriegsgösch genannt, die oftmals von der Kriegsflagge abgeleitet ist. Die Gösch der Kaiserlichen Marine entsprach dem Obereck in der Kriegsflagge: die Nationalfarben Schwarz-Weiß-Rot in der Mitte belegt mit einem in die farbigen Streifen hineinragenden Eisernen Kreuz von etwas mehr als 2/3 der Flaggenhöhe. Die Größe der Gösch richtete sich nach den Maßen der gesetzten Kriegsflagge und war auf 3/7 vorgenannter Flagge ausgelegt bei einem Maßverhältnis von 2 : 3. Sie wurde mit der Kriegsflagge eingeführt (Abb. 16b).
Neben dieser Kriegsflagge führte das Kaiserreich noch unzählige weitere Flaggen:
Die Kaiser-Standarte (Abb. 18) folgt dem Muster der am 16.3.1844 eingeführten Königsflagge von Preußen und zeigt auf quadratischem Feld ein an die Ränder anstoßendes, dreifach weiß eingefaßtes, schwarzes Eisernes Kreuz mit in die Kreuzarme gesetzter weißer Inschrift "GOTT MIT UNS 1870". In der Kreuzmitte ist ein silberner (weißer) von der Kaiserkrone alten Typs überhöhter Schild mit schwarzem Adler aufgelegt, welchem wiederum ein weißer Schild mit den Adler Preußens und dem Brustschild der Hohenzollern aufgelegt ist. Das gesamte ist umgeben von Kette und Insignie des preußischen Schwarzen Adler-Ordens. In jedem der vier Eckfelder befinden sich dem Rand entlang zwei schwarze Adler, während in den Kreuzwinkeln und den Ecken je eine goldene Kaiserkrone Karls des Großen steht. Die Kaiserstandarte wurde mit Kaiserlichem Erlaß vom 3. August 1871 eingeführt und 1918, bei Abdankung Wilhelm II. abgeschafft.
Bemerkenswert hierbei ist, daß der Erlaß vom 3.8.1871 ein purpurnes Feld für die Kaiserstandarte vorschreibt, womit sie der preußischen Königsflagge zum verwech- seln ähnlich sah. Erst eine Berichtigung vom 25.9.1871 und der Kaiserliche Erlaß vom 15.10. 1871 schreiben ein gelbes Flaggenfeld und einen goldenen Wappen- schild für den deutschen Kaiser vor. Die Eckfelder ent- halten nun den Rand entlang drei schwarze, einfache Adler und in den Kreuzwinkeln je eine goldene Krone (Abb. 18a).
Bei Amtsantritt Kaiser Wilhelm II. wurde die Standarte geändert, mit neuer Krone und geradem Schild (Abb. 18b).
Das Imperial War Museum in London verfügt über eine Kaiserstandarte deren kleine Adler in den Eckfeldern zusätzlich mit einem hohenzollernschen Brustschild belegt sind. Diese Variante konnte bisher nicht ergründet werden (Abb. 18c).
Daneben führte S.M. bei der Marine noch zwei weitere Wappenflaggen als Signalzeichen: Abb. 18d: Das brandenburgische Szepter auf blauem Grund, wenn Empfang nicht gewährt wurde. Abb. 18e: Den schwarzen Löwen der Burggrafen von Nürnberg im gelben Feld, umgeben von einem rot-weiß gestückten Rand, wenn S.M. nicht an Bord war.
Die Kaiserin-Standarte (Abb. 19) folgt ebenfalls dem preußischen Muster und zeigt in der Mitte eines gelben Feldes das oben beschriebene Wappen überhöht von der Krone der Kaiserin alten Typs, ebenfalls umgeben von der Kolane des Schwarzen Adler-Ordens, des Hausordens der preußischen Könige, aber nicht das Eiserne Kreuz. Dieses befindet sich am oberen Liek, verkleinert auf 1/9 der Flaggenhöhe, in der Mitte belegt mit dem gleicharmigen roten Kreuz der internationalen Krankenpflege. Das Standartenfeld ist übersät mit 26 kleinen schwarzen Adlern, später dann reduziert auf 18. Die Standarte wurde eingeführt mit Kaiserlichen Erlaß vom 15.10.1871. Kaiser Wilhelm II. änderte die Standarte der Kaiserin indem das rote Kreuz entfiel, das EK schlanker gestaltet und mit weißem "W", einer preußischen Krone und der Jahreszahl 1870 versehen wurde. Die Zahl der Adler reduzierte sich auf 16. Die alte Krone der Kaiserin wurde durch den neuen Typ von 1888 ersetzt. Siehe hierzu auch die Flaggen- und Salut-Ordnung für die Kaiserlichen Marine von 1895 (Abb. 19a). Die alte Kaiserinstandarte verblieb der Witwe Kaiser Friedrichs.
Der Kronprinzen-Standarte (Abb. 20) liegt ebenfalls das preußische Muster zugrunde. Sie entspricht der Kaiserstandarte mit folgenden Abweichungen: Die Kaiserkrone ist durch eine sog. Kronprinzenkrone ersetzt, welche an großen Adlern zu erkennen und rot gefuttert ist. Der Schild ist von einem roten Bord umgeben. In den Eckfeldern ist die Kaiserkrone weggelassen, so daß nur drei Adler erscheinen, später unter Kaiser Wilhelm II. vier (Abb. 20a). Eingeführt mit Erlaß vom 15.10.1871.
Die nachfolgenden Flaggen für die einzelnen Dienstbereiche der Marine (Abb. 21 bis 26) traten alle mit Präsidial-Erlaß vom 4.7.1867 in Kraft. Sie sind allesamt Varianten der Kriegsflagge des Nordd. Bundes und deren Gösch. Sie wurden 1871 vom Deutschen Reich übernommen und 1893 durch Flaggen mit schwarz-weiß-rotem Tuch und besonderem Dienstabzeichen ersetzt.
Flagge der Regierungsfahrzeuge (Abb. 21): Die Kriegsflagge mit einem senkrechten, blauen, klaren Anker im unteren Feld am Liek.
Flagge der Lotsenfahrzeuge (Abb. 22): Die Kriegsflagge mit zwei diagonal gekreuzten blauen Ankern am unteren Liek.
Flagge der Postschiffe (Abb. 23): Die Kriegsflagge mit einem gelben Posthorn am unteren Liek.
Flagge der Zollfahrzeuge (Abb. 24): Die Kriegsflagge mit blauem, klarem Anker und den roten Buchstaben "K" links und "Z" rechts vom Anker für Königliche(r)/Kaiserliche(r) Zoll(verwaltung).
Flagge der Arbeitsfahrzeuge der KöniglichlKaiserlichen Marine (Abb. 25): Die Kriegsflagge mit vier roten, klaren Ankern im unteren Feld am Liek, deren Spitzen zueinander angeordnet die Form eines X bilden.
Allen diesen Ressortflaggen ist eine spezielle Gösch zugeordnet in der Form der schwarz-weiß-roten Kriegsgösch, wobei das Eiserne Kreuz durch das Abzeichen des betreffenden Dienstes ersetzt ist, weiches aber nicht in den oberen und unteren Steifen hineinragt (Abb. 26 als Beispiel).
Auch die Kommandozeichen der Kaiserlichen Marine wurden, soweit nicht anders angegeben, bereits bei der preußischen Marine mit Kabinettsordre vom 3.1.1858 eingeführt.
Der Breitwimpel des Kaisers (Abb. 27): Ein weißer, zum fliegenden Ende hin konisch zulaufender Wimpel mit abgerundeter Spitze und Eisernem Kreuz am Liek. Diesem sind diagonal kreuzweise Zepter und ein in der Scheide steckendes Schwert aufgelegt auf welchen in der Mitte die Kaiserkrone ruht. Dies war das höchstrangige Kommandozeichen der Kaiserlichen Marine und wurde nur auf besonderen Befehl des Kaisers gehißt. Erstmals gezeigt in der Flaggen- und Salut-Ordnung von 1895.
Breitwimpel der Kaiserin (Abb. 28): Dieser existierte neben dem des Kaisers und hatte die gleiche Form aber statt des Eisernen Kreuzes die Krone der Kaiserin im Feld am Liek. Die Krone ist nach dem Muster von 1888 gestaltet, erstmals zu finden im Nachtrag von 1909 zum Flaggenbuch von 1905.
Flagge des Chefs der Admiralität (Abb. 29): Eine quadratische, weiße Flagge mit verkleinertem Eisernem Kreuz in der Mitte und vier klaren, roten Ankern in den Ecken, deren Spitzen bis in die Kreuzwinkel reichen. Sie wurde bereits in der preußischen Marine eingeführt und war dort das Kommandozeichen des Marineministers. Erstmals gezeigt im Allerhöchst genehmigten Flaggen- und Salut-Reglement von 1868.
Flagge des Staatssekretärs des Reichsmarineamtes (Marineminister)(Abb. 30): Die quadratische, weiße Admiralsflagge mit an die Flaggenränder anstoßendem Eisernem Kreuz, dem in unteren Feld am Liek zwei goldene, diagonal gekreuzte, klare Anker beigefügt sind. Erstmals gezeigt in der Flaggen- u. Salut-Ordnung v. 1895.
Flagge eines Großadmirals (Abb. 31): Die quadratische, weiße Admiralsflagge mit zwei roten, diagonal kreuzweise unter das Eiserne Kreuz (EK) gelegten Marschallstäben und der goldenen Kaiserkrone mit Bändern auf der Mitte des EK. Die Stäbe sind mit einem goldenen Rautengitter überzogen in dessen Öffnungen abwechselnd die Kaiserkrone, der Kaiseradler und ein unklarer Anker angebracht sind. Die Enden sind mit einen weißen Band und geprägten, goldenen Knäufen versehen. Erstmals gezeigt im Flaggenbuch von 1905.8
Flagge eines Kommandierenden Admirals (Abb. 32): Die quadratische, weiße Admiralsflagge mit einer auf die Kreuzmitte gelegten, goldenen, rot gefütterten Kaiserkrone ohne Bänder. Eingeführt 1889.9 Aufgehoben mit Erlaß vom 17.4.1899, mit welchem die Flagge eines Generalinspekteurs der Marine eingeführt wurde.
Flagge des Generalinspekteurs der Marine (Abb. 33): Die Admiralsflagge mit dem Eisernen Kreuz und einem schmalen roten Rand, welcher unter den Kreuzarmen durchläuft. Diese Flagge wurde mit Allerhöchster Ordre vom 17.4.1899 eingeführt und mit Ordre vom 22.1.1900 geändert (Abb. 34). Die rote Umrandung wurde auf 1/5 der Flaggenhöhe verbreitert und das EK verkleinert in den verbleibenden weißen Raum gesetzt. S.a. Flaggenhandbuch von 1900. Daneben scheint eine Version mit einem mittelbreiten Rand existiert zu haben (Abb. 33a).
Flagge eines Admirals (Abb. 35): Eine quadratische, weiße Flagge mit schwarzem, bis an den Flaggenrand stoßendem Eisernem Kreuz. In der Zeit der Segelschiffe wurde diese Flagge von allen Admiralen geführt: Vom Admiral am Großmast, vom Vizeadmiral am Fockmast und vom Konter-(Contre-) Admiral am Kreuz- bzw. Besanmast (Achterschiff), auf Zweimastern auch im Topp des Vormastes. Auf Schiffen mit nur einem Mast und in Booten wurden den Flaggen des Vizeadmirals eine schwarze Kugel im Kreuzwinkel am oberen Liek hinzugefügt und dem Konteradmiral je eine im oberen und unteren Feld am Liek (Abb. 36 u. 37). Mit Order vom 29.10.1904 wurden die Kugeln in den Flaggen der Vize- und Kontre-Admirale generell festgelegt.
Ferner bestimmte Kaiser Wilhelm mit Order vom 26.10.1904 für das 2. Geschwader der aktiven Schlachtflotte rote Kugeln in den Admiralsflaggen. Für das 3. Geschwader wurden, soweit bekannt, keine abweichenden Farben bestimmt (Abb. 36a u. 37a).
Stander der Kommodores (Abb. 38): Eine weiße Flagge, wie die der Admirale, aber ausgebildet als Doppelstander, d.h. mit tiefem Ausschnitt im fliegenden Ende. Eingeführt bei der preußischen Marine.
Der Kommodorestander diente auch als Dienstaltersstander für den dienstältesten, gleichrangigen Offizier bei auf Reede oder im Hafen liegenden Schiffen, wenn kein vorgesetzter Offizier anwesend ist. Er wird dann aber nicht im Topp, sondern an der Rah des hinteren Mastes aufgezogen. Auch dies bereits in Preußen eingeführt.
Stander des Stellvertreters eines Flaggoffiziers oder Kommodores (Abb. 39): Ein weißer Doppelstander, wie der des Kommodores, aber mit einer schwarzen Kugel im oberen Feld am Liek.10
Stander des Führers einer Flottillie (Abb. 40): Wie der Doppelstander des Kommodore, aber an einem Querholz befestigt und freifliegend aufgezogen.
Stander des Führers einer Division (Abb. 41): Ein kurzer, weißer, dreieckiger Wimpel mit schwarzem Eisernen Kreuz. Auch dieser bereits in Preußen eingeführt.
Der Führerstander (Abb. 42): für den Führer eines kleinen, vorübergehend zusammengestellten Verbandes von zwei oder mehr Schiffen ist ein längerer, dreieckiger, am fliegenden Ende gesplitteter Wimpel in den hier senkrecht angeordneten Farben Schwarz, Weiß und Rot. Er wird an der Rah des hinteren Mastes gesetzt. Erstmals gezeigt im Flaggenbuch von 1905.
Der Kriegs- oder Kommandowimpel (Abb. 43): wird von allen unter dem Kommando eines Seeoffiziers in Dienst gestellten Kriegs- oder Regierungsschiffen geführt, und wird nur eingeholt, soweit dieser berechtigt ist ein eigenes Kommandozeichen zu führen oder sich hohe Kommandoführer an Bord einfinden. Er ist ein schmaler und sehr langer, am fliegenden Ende tief eingeschnittener, weißer Wimpel mit dem Eisernen Kreuz am Liek. Eingeführt 1858 bei der preußischen Marine.
Flagge des Chefs des Admiralstabs (Abb. 44 - 46): Die Admiralsflagge mit einer weißen Scheibe im Schnittpunkt der Kreuzarme, deren Rand teilweise durch die bogenförmigen Verbindungen der äußeren, schwarzen Kreuzeinfassung des Eisernen Kreuzes gebildet wird. Im Bereich der weißen Einfassung bleibt der Scheibenrand offen. Die Scheibe zeigt in einem kreisförmigen, goldenen Tau einen ebenfalls goldenen, abwärts gerichteten, in seiner Scheide steckenden Marinedolch.
Diese Flagge wurde ebenfalls mit Rangbällen versehen, wenn der Chef des Admiralstabs im Rang eines Vize- oder Konteradmirals stand. Erstmals gezeigt im Nachtrag von 1909 zum Flaggenbuch von 1905.11
Die vorstehenden Flaggen wurden zum größeren Teil seit Einführung in die preußische Marine ununterbrochen geführt bis zur endgültigen Auflösung der Kriegsmarine 1945. Bei Aufstellung der Bundesmarine 1956 wurden sie mit z.T. geänderten Bedeutungen wieder eingeführt. Die Admiralsflaggen wurden um einen weiteren Rang, dem des Flottillenadmirals, etwa dem heutigen Rang eines Kommodores entsprechend, erweitert. Diese Flagge ist mit je einem Ball oben und unten am Liek und einem dritten im oberen fliegenden Ende versehen. Die Volksmarine der DDR ging bis zu ihrer Auflösung 1990 andere, östlich beeinflußte Wege.
Kaiser Wilhelm II. beabsichtigte den Offizieren des Beurlaubtenstandes (Reserveoffiziere) der Marine eine besondere Ehrung zu erweisen. So schuf er mit Allerhöchstem Erlaß vom 1.7.1896 die Handelsflagge mit Eisernem Kreuz (Abb. 47) für Schiffe der Handelsmarine, die unter der Führung von Kapitänen standen, welche Seeoffiziere des Beurlaubtenstandes oder früher Marineoffiziere gewesen waren. Außerdem mußte ein bestimmter Prozentsatz der Mannschaften der Marine entstammen. Die Flagge selbst war die schwarz-weiß-rote Handelsflagge, der - wie bei der Kriegsgösch - ein Eisernes Kreuz von 5/9 der Flaggenhöhe aufgelegt war, welches hier allerdings ganz an den Saum des Lieks gerückt wurde. Sie wurde 1921 aufgehoben und durch eine andere Flagge ersetzt.
Seeschiffe, die zur Einfahrt in eine Flußmündung oder einen Hafen einen Lotsen anfordern, setzen am Vormast eine Lotsen(ruf)flagge. Mit der Lootsen-Signal-Ordnung vom 14.8.1876 wird die Lotsen(ruf)flagge (Abb. 48) wie folgt festgelegt: Die Handelsflagge Schwarz-Weiß-Rot mit einer weißen Umrandung von 1/5 der Flaggenhöhe. Das Größenverhältnis ist 2 : 3. Sie stand bis 1922 und erneut von 1933 bis 1935 in Gebrauch.
Da die Küstenstaaten für ihre Regierungsfahrzeuge und Seefahrtgebäude neben den kaiserlichen Flaggen aber nach wie vor eigene Dienstflaggen führten, herrschte in den Küstenstädten und Häfen von Ostfriesland bis Memel diesbezüglich größte Unübersichtlichkeit, da in kaum zwei Städten dieselben Flaggen wehten. Besonders für Ausländer mußte dies erhebliche Irritationen hervorrufen. Diesem höchst unerwünschten Zustand machte Wilhelm II. ein Ende indem er mit Allerhöchster Ordre vom 8.11.1892 neue Dienstflaggen für die verschiedenen Reichsbehörden schuf. Diese wurden mit Verordnung vom 20.1.1893 ergänzt und am 1.4.1893 in Kraft gesetzt:
Im Bereich des Auswärtigen Amtes (Abb. 49): Die schwarz-weiß-rote Nationalflagge mit in der Mitte zu einer in den schwarzen und roten Streifen hineinreichenden Scheibe von 5/9 der Flaggenhöhe erweitertem weißen Streifen. Darin ruht der Reichsadler, von der Kaiserkrone überhöht. Maße der Flagge wie 2 : 3.
Diese Flagge wurde in den deutschen Schutzgebieten und in den Reichslanden Elsaß-Lothringen mit zusätzlichen Abzeichen eingesetzt. (s. Abb. 53 bis 55 ).
Im Bereich der Kaiserlichen Marine (Abb. 50): Wie vorstehend, jedoch mit einem unklaren, gelben Anker mit Kaiserkrone statt des Reichsadlers. Diese Flagge wurde gesetzt von Schiffen und Einrichtungen nichtmilitärischer Seedienststellen, wie Wetterwarten und Dienstgebäuden sowie Transport- und anderen Schiffen, die nicht Kriegsschiffe waren. Von dieser Flagge gibt es viele Varianten im Seedienstbereich der Küstenländer (s. Abb. 58 bis 72 ).
Im Bereich des Reichspostamtes (Abb. 51): Wie oben, jedoch mit gelbem Posthorn und Kaiserkrone statt des Reichsadlers. Postführende Schiffe setzten diese Flagge am Großmast und in kleinerer Ausführung als Gösch am Bugspriet solange die Postsendungen an Bord waren.
Im Bereich der übrigen Verwaltungszweige (Abb. 52): Wie oben, jedoch mit großer, gelber Reichskrone statt des Reichsadlers. Gesetzt auf Einrichtungen und Gebäuden dieser Verwaltungszweige und auf Regierungsschiffen, die nicht berechtigt waren eine andere Flagge zu zeigen.
Alle diese Flaggen wurden 1921 durch entsprechende Gesetze der Weimarer Republik aufgehoben .
Mit Allerhöchster Ordre vom 27.3.1893 hob Wilhelm II. alle Kriegsflaggen mit besonderem Abzeichen auf und legte gleichzeitig die Führungsberechtigung für die Reichskriegsflagge und die neue Reichsdienstflagge der Marine fest.
Für die deutschen Schutzgebiete wird mit Order vom 13.8.1893 angeordnet, daß die Regierungsfahrzeuge und die Regierungsgebäude die Reichsdienstflagge des Auswärtigen Amtes mit folgenden besonderen Abzeichen zu führen haben:
Die Lotsenverwaltung (Abb. 53): Die Reichsdienstflagge des Auswärtigen Amtes mit einem gelben, unklaren Anker zwischen den roten Buchstaben "L" und "V" am Liek im schwarzen Streifen. In den Schutzgebieten auch als Lotsenflagge gesetzt.
Die Zollverwaltung (Abb. 54): Wie vorstehend, aber mit dem Anker zwischen den roten Buchstaben "Z" und "V" im schwarzen Streifen. Sie wurde auch als Zollflagge eingesetzt.
Ob auch eine dementsprechende Flagge für die Fischereiaufsicht eingeführt war ist nicht bekannt.
Außerdem wurde mit Erlaß vom 29.12.1891 eine Dienstflagge für die Reichslande Elsaß-Lothringen geschaffen (Abb. 55): Auch hier die Reichsdienstflagge des Auswärtigen mit den gekrönten Wappen Elsaß-Lothringens im schwarzen Streifen am Liek.
Nachdem 1892 neue Reichsdienstflaggen geschaffen worden waren, zogen die Küstenstaaten nach und führten für ihre Bereiche ebenfalls Seedienstflaggen ein, die sich nur durch eine zusätzliche Oberecke mit dem jeweiligen Wappen des Küstenlandes von der Reichsdienstflagge für die Kaiserlichen Marine unterschieden:
Preußen am 24.1.1894 (Abb. 56) Mecklenburg am 30.7.1895/26.6.96 (Abb. 57)
Lübeck am 23.3.1895 (Abb. 58) Hamburg am 5.12.1894 (Abb. 59)
Bremen am 27.1.1895 (Abb. 60) Oldenburg am 8.8.1902 (Abb. 61)
Auf allen diesen Flaggen konnte für die entsprechenden Verwaltungszweige wiederum das bekannte spezielle Abzeichen mit den roten Buchstaben neben dem Anker angebracht werden: L und V für die Lotsenverwaltungen, Z und V für die Zollverwaltungen und F und A für die Fischereiaufsichten.
Davon haben Gebrauch gemacht:
Preußen mit LV, ZV, und FA (Abb. 62 - 64)
Mecklenburg mit ZV und FA (Abb. 65 - 66)
Lübeck mit LV, ZV und FA (Abb. 67 - 69)
Bremen mit LV und ZV (Abb. 70 - 71)
Oldenburg mit FA (Abb. 80)
Hamburg scheinbar nicht.
Der Gouverneur von Kiautschau erhielt mit Allerhöchster Ordre vom 1.3.1898 das Recht die Nationalflagge mit dem Reichsadler ohne Krone und Ordenskette im weißen Streifen als Kommando- und Unterscheidungszeichen innerhalb seines Dienstbereichs zu führen. Diese Flagge entsprach der des Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika, welche durch Allerhöchste Ordre vom 4.5.1891 vorgeschrieben ist (Abb. 72).
Ferner waren für die deutschen Kolonien Kamerun, Togo, Südwest-Afrika, Samoa, Ost-Afrika und Neu-Guinea eigene Flaggen auf der Grundlage der Nationalflagge entworfen und genehmigt worden. Durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges kamen diese aber nicht mehr in Gebrauch.
1900 tobte in China der Boxeraufstand, einer gegen fremde Einflüsse gerichteten Sekte, die auch vor Mordanschlägen gegen Ausländer nicht zurückschreckte. Zur Niederschlagung wurde ein internationales Expeditionskorps entsandt dessen Oberkommando dem deutschen General-Feldmarschall Graf von Waldersee übertragen wurde. Graf Waldersee führte in dieser Eigenschaft die deutsche Nationalflagge mit dem Eisernen Kreuz, weiches mit zwei diagonal gekreuzten, blauen Marschallstäben unterlegt war (Abb. 73).
Damit ergibt sich die stolze Bilanz von über 80 offiziellen Flaggen, hauptsächlich im Bereich der Seefahrt, ein wahrhaft gigantisches Flaggensystem. Die im Bereich der Binnenschiffahrt und anderen Bereichen sind zahlenmäßig noch hinzu zufügen.
Daneben existierten noch weitere Flaggen auf der Basis der schwarz-weiß-roten Nationalflagge, wie z.B. die Flagge des Kaiserlichen Yacht-Klubs (Abb. 74), vom 27.1.1893/13.02.1983, die Flagge des Deutschen Pfadfinder Bundes (Bundesbanner) (Abb. 75), gegründet 1911 in Berlin, die Flagge des Deutschen Turnerbundes (Abb. 76) und andere.
Bemerkenswert ist die Corps-Flagge (Landesbanner) des Deutschen Pfadfinder-Korps Hamburg (Abb. 77). Es ist das Bundesbanner (Abb. 75) der Deutschen Pfadfinder mit einer Oberecke wie in der Seedienstflagge Hamburgs, aber ohne blauem Anker, und sieht dieser zum verwechseln ähnlich. Hochoffiziell gezeigt beim Empfang Wilhelm II. in Hamburg, dokumentiert in einem Pressefoto von der Ankunft des Kaisers im Hamburger Hafen..
Zu erwähnen bleibt noch, daß die Kriegsschiffe S.M.S. "Brandenburg" und S.M.S. "Preußen" spezielle Erlaubnis zum Führen eigener Toppflaggen hatten (Abb. 78 u. 79).
Fortsetzung folgt
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