Thilo Biegler

Das Signalisieren mit Flaggen auf See

Das Flaggensignalisieren dient der Verständigung zwischen Schiffen untereinander sowie zwischen Schiffen und Küstenstationen. Man bedient sich dazu einer festgesetzten Zahl von Signalflaggen, die ein in sich geschlossenes System bilden. Die einzelnen Flaggen sind eindeutig definiert, unterscheiden sich klar voneinander, aber lassen doch durch ihre Form und Größe, ihre Feldgestaltung und Farbgebung die Zugehörigkeit zu dem gemeinsamen System erkennen. Die Gesamtheit der unterschiedlichen Signalflaggen eines solchen Systems nennt man ein Stell.

Wegen der vorstehend genannten, systemnotwendigen Eigenschaften bietet das Studium der Signalflaggen für den Vexillologen viele lehrreiche Erkenntnisse und nützliche Anwendungsmöglichkeiten, wie sich im folgenden zeigen wird.

Die Signalflaggen unterscheiden sich durch ihre geometrische Form, ihre Feldgestaltung und ihre Farbgebung.

1.) An Flaggenformen unterscheidet man Flaggen im engeren Sinn (i.e.S) Doppelstander, Stander und Wimpel. Diese Benennung findet sich auch in der deutschen Ausgabe des Internationalen Signalbuches (1969). Diese vier Flaggenformen haben sich bei den Signalflaggen in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts fest eingebürgert. Im vorigen Jahrhundert hat es anstelle des Doppelstanders, der sprachlich besser eigentlich "Splittflagge" heißen müßte, vorwiegend den Splittstander (Cornette) gegeben, der aber heute bei Signalflaggen nur noch in Ausnahmefällen verwendet wird.

Flaggen

(i.e.S.) sind rechteckig. Ihre Proportionen variieren zwischen den einzelnen Signalsystemen. Das Internationale Signalbuch verwendete 1857 (deutsch 1870) das Verhältnis 11 : 13, 1899 (deutsch 1901) 13 : 16 und 1931 und 1969 5 : 6 (= 0,833) Die deutsche Kriegsmarine hatte nach den

Abbildungen im Signalbuch 1940 das Verhältnis 20 : 29 (= 0,690). Es gab auch Marinen, die quadratische Flaggen verwendeten.

An dieser Stelle lassen sich tiefergehende Betrachtungen über das optimale Verhältnis von Höhe zu Länge anstellen. Betrachtet man die uns geläufigen Flaggenproportionen 1 : 1, 1 : 2, 2 : 3, 3 : 5, 5 : 8, 8 : 13, ..., so stellt man fest, daß sie eine sogenannte Fibonacci-Folge bilden: jede weitere Zahl ist die Summe der zwei vorhergehenden. Fibonacci (1180? - 1250?) zeigte, daß diese Proportionen den Grenzwert von 0,618 = Ö 1,25  - 0,5 zustreben. Das ist der berühmte "Goldene Schnitt" (sectio aurea), der schon in der Antike bekannt war und z.B. beim Bau des Parthenon Anwendung fand. Es gibt eine Reihe von Vexillologen, die das "Goldene Rechteck" mit dem Seitenverhältnis 0,618 : 1 für die optimale Flaggenproportion halten Diesem "Goldenen Rechteck" kommt das Stell der deutschen Kriegsmarine zwar sehr viel näher als das des Internationalen Signalbuches. Aber man muß wohl davon ausgehen, wie auch die Verwendung quadratischer Signalflaggen anzudeuten scheint, daß bei mehrstelligen Signalen an Flaggenleinen die Verwendung kürzerer Flaggen zweckmäßiger ist.

Doppelstander

sind rechteckig (von gleicher Größe wie die Flaggen des Stells) mit einem ausgeschnittenen Dreieck am fliegenden Ende. Man benötigt daher für sie eine weitere Definitionsgröße, die Tiefe des Dreieckausschnitts. Die Doppelstander des Internationalen Signalbuches haben eine solche von (im Mittel) 41% der Länge. Die deutsche Kriegsmarine verwendete eigenartiger Weise gleich zwei Typen von Doppelstandern, nämlich mit 25% und mit 50%, letztere also bis zum Mittelpunkt (entlang der beiden Diagonalen) ausgeschnitten. Von jedem Typ gab es zwei Doppelstander (25%: Ä und Lambda (l ); 50%: Z und Beta (b )).

Stander

sind dreieckig, entweder mit gleicher Höhe und Länge wie die Flaggen (z.B. deutsche Kriegsmarine) oder mit etwas größeren Abmessungen (z.B. Internationales Signalbuch: etwa 20% höher und länger). Der Flächeninhalt beträgt dabei 50% bis 75% der einer Flagge (i.e.S.). Die deutsche Kriegsmarine hatte auch hier eine Ausnahme. Es gab einen Stander, der länger als eine Flagge, aber etwas kürzer als die Wimpel war: Stander Pi (p ). Ich habe ihn in meiner Terminologie mit "Langer Stander" bezeichnet.

Wimpel

sind dagegen schmaler (etwa 50% bis 75% der Höhe der Flaggen) und viel länger (ungefähr doppelt so lang wie Flaggen). Sie verjüngen sich zum fliegenden Ende hin und können dort "abgeschnitten" (englisch "squared-off") (z.B. Internationales Signalbuch seit 1931) oder abgerundet (z.B. deutsche Kriegsmarine) sein. Für die Verjüngung benötigt man als zusätzliche Definitionsgröße die Höhe am fliegenden Ende.

Wir halten fest, daß die Größenverhältnisse der vier besprochenen Flaggenformen im Vergleich zwischen verschiedenen Signalsystemen (Flaggenstells) nicht gleich sein müssen. Innerhalb eines Stells müssen sie jedoch einheitlich sein: die einzelnen Flaggen einer jeden Flaggenform müssen die gleiche Höhe und Länge haben.

Allerdings scheint mir die Verwendung der Form als Unterscheidungsmerkmal nicht sehr glücklich zu sein. So muß man sich doch fragen, ob bei entsprechenden Windverhältnissen die Unterscheidung von Flagge und Doppelstander (insbesondere bei nur 25% Ausschnitt) tatsächlich gegeben ist. Admiral Sir Samuel Hood sprach sich jedoch in dieser Hinsicht für die Doppelstander aus (1814); gleichwohl führte die Royal Navy sie dann nur 1816 - 1827, um sie allerdings später doch wieder einzuführen. Dagegen hielt Hood die Stander (triangular flags) nicht für sinnvoll. Ich würde sie jedoch für besser erkennbar gegenüber Flaggen halten als die Doppelstander.

Besonders problematisch wird die Frage der Unterscheidung, wenn ein und dieselbe Feld- und Farbgestaltung nur durch die Flaggenform unterschieden werden soll, wie es z.B. bei der NATO und dem Internationalen Signalbuch der Fall ist (Flagge K und Wimpel 5; Flagge T und Wimpel 3; Doppelstander B, Stander Speed und Flagge Rot, Flagge H und Wimpel Interrogative). Es müßte m.E. möglich sein, allein mit den rechteckigen Flaggen (bei entsprechender Vermehrung der Feld- und Farbgestaltungen) auszukommen. Allenfalls könnte es nützlich sein (ist aber keineswegs zur Unterscheidung erforderlich!), bestimmten Kategorien von Flaggen (von ihrer Bestimmung her) verschiedene Flaggenformen zuzuordnen, wie im Internationalen Signalbuch geschehen: Flaggen für Buchstaben, Wimpel für Ziffern und Stander als Hilfsstander (warum aber müssen A und B Doppelstander sein?). (s. Abb. nächste Seite). Ich spreche daher die Flaggenform gern als "nachgeordnetes Merkmal" an, obwohl sie bei der Signalflaggenbeschreibung gewöhnlich an erster Stelle genannt wird.

Es ist zu beachten, daß die vorstehende Betrachtung unter Verwendung konkreter Benennungen sich auf die klare Beschreibung der geometrischen Formen bezieht und nichts mit der Benennung einzelner Flaggen in der Praxis bei Handels- und Sportschiffahrt und den Marinen zu tun hat. In diesem Zusammenhang lege ich

einen ersten Entwurf eines "Stammbaumes der Flaggenformen" vor, der die Entwicklung und den Zusammenhang der einzelnen Flaggenformen zeigt. Wichtig ist, daß für jede Flaggenform eine eindeutige Benennung festgesetzt wird, wobei sichergestellt sein muß, daß sich zwei unterschiedlich benannte Formen auch optisch klar voneinander unterscheiden. Insofern habe ich daran gedacht, Grenzwerte für die Proportionen zu definieren, etwa für Flaggen Höhe : Länge ³ 0,4 und für Wimpel Höhe : Länge £ 0,3. Ob dieser Abstand der beiden Grenzwerte groß genug gewählt ist, müßte noch diskutiert werden. In einem geschlossenen System (aber nur in diesem Fall), wie dem der Signalflaggen, braucht man noch eine Relation der Formen untereinander. Im Internationalen Signalbuch ist das seit 1931 durch die Vorgabe der genauen Abmessungen gegeben.

2.)Die Feldgestaltung entspricht dem Schildbild in der Heraldik. Hier handelt es sich also um die Einteilung des Feldes in verschiedene Plätze (die dann noch farbig auszugestalten sind - s. Nr. 3.). So kann das Feld leer (ledig) sein; mit Randstreifen versehen sowie horizontal, vertikal oder diagonal (schrägrechts oder schräglinks) geteilt oder gestreift sein; es kann geviert oder diagonal geviert oder entsprechend geschacht oder gerautet sein. Es kann auch mit durchgehenden oder schwebenden Kreuzen oder Schrägkreuzen, mit Bällen, Rechtecken, Dreiecken usw. belegt sein. In der deutschen Kriegsmarine gab es sogar durchgehende Kreisringsektoren, konvex zum Liek gestellt. Es handelt sich bei der Feldgestaltung der Signalflaggen durchweg um geometrische Figuren (Heroldsbilder). Gemeine Figuren wie in der Heraldik kommen nicht vor. Dennoch erkennt man: es sind - unter zusätzlicher Verwendung von Farbe - ausreichend unterscheidbare Möglichkeiten gegeben, um ein allen Anforderungen genügendes Signalflaggenstell zu konzipieren. Eine obere Grenze der Anzahl ist viel eher aus der Sicht schneller und sicherer Handhabung der Flaggen durch das Signalpersonal gegeben. Die NATO mit einem Stell von 68 Flaggen dürfte diese Grenze wohl erreicht haben.

Flaggengrößen

 

Flaggen

Stander

Wimpel

 

 

m

m

m

 

Größe

Länge

Breite

Länge

Breite

Länge

Breite

Spitzen

Breite

I

2,4

2,0

3,0

2,4

5,0

1,5

0,45

II

1,8

1,5

2,25

1,8

3,4

1,0

0,30

III

1,2

1,0

1,5

1,2

2,4

0,7

0,20

Abmessungen der Flaggen des

Internationalen Signalbuchs ab 1931

Daß man allein durch die Feldgestaltung aussagekräftige Bilder erhalten kann, zeigt der Self-evident Code der Royal Yacht Squadron 1823 (siehe Farbtafel auf der Rückseite!). Einen solchen Code hat die Royal Navy selbst nie eingeführt; zu dieser Zeit ging man bereits zu einer größeren Anzahl von Flaggen über (daher auch Buchstaben zur Benennung, da Ziffern nicht mehr ausreichten). Interessant sind auch die "American Calm and Storm Signal Flags" von Henry J. Rogers (1855), die selbst noch bei leichtem Wind und bei Windstille erkennbar waren. Sie haben sich dennoch bei Einführung des ersten Internationalen Signalbuches 1857 gegenüber Frederick Marryat nicht durchgesetzt, wohl auch wegen der begrenzten Anzahl von Feldgestaltungen, die man im Sinne von "calm and storm flags" verwenden kann.

3.) An Farben gibt es bei den Signalflaggen nur sechs: Rot, Weiß, Blau, Gelb, Schwarz und Grün. Es sind dieselben wie in der Heraldik, aber jedenfalls nicht davon hergeleitet, sondern auf See aus Gründen des Kontrastes entstanden. Insofern gibt es auch keine Mischfarben. Und man sollte eigentlich auch eine Farbregel (wie in der Heraldik) erwarten; es gibt sie nicht. Aber aus den Notwendigkeiten und Erfahrungen der Seefahrt stellte sich ein sehr ähnliches Ergebnis ein, ohne daß es kodifiziert worden wäre. Es wurden schon sehr früh die Kombinationen Rot und Weiß, Blau (oder Schwarz) und Weiß, Blau (oder Schwarz) und Gelb bevorzugt. Rot-Blau wurde sehr bald durch Rot-Schwarz ersetzt (ist das wirklich besser?). Das Internationale Signalbuch hat Rot-Blau 1931 wieder eingeführt (Flagge E), und damit verwendet es heute auch die NATO. Die Royal Navy empfand Rot-Gelb nicht als besonders gut und ersetzte diese Kombination durch Blau-Gelb. Anfangs, bis in das 17. Jhd., kam man mit den drei Farben Rot, Weiß und Blau aus. Im 18. Jhd. kam dann Gelb hinzu, Ende des 18. Jhd. Schwarz. Grün ist ein ausgesprochener Exote und wenig vertreten: deutsche Kriegsmarine 6 Flaggen, Royal Navy (1940 - 45) 3 Flaggen, NATO 2 Flaggen. Daß Grün überhaupt verwendet wird, dürfte mit der auf See üblichen Gedankenverbindung "Grün = Steuerbord" zusammenhängen.

Berücksichtigt man, daß das Signalwesen in den verschiedenen souveränen Marinen eine lange historische Entwicklung durchgemacht hat, so ist es erstaunlich, daß sich im gesamten Signalwesen auf See eine so gute Vexillologie herausgebildet und erhalten hat. Keine Nation ist auf die Idee gekommen, sie müßte ihr Signalsystem durch besonders exotische Farben (und das gilt gleichermaßen auch hinsichtlich der beiden anderen Aspekte Form- und Farbgestaltung) von denen anderer Nationen abheben. So gibt es keine Mischfarben und keine Helligkeitsabstufungen. Die Farbgestaltung ist fast einheitlich. Nur bei Blau gibt es gelegentlich geringfügige Schattierungs- und Tonabstufungen, aber keinesfalls innerhalb ein und desselben Stells.

Die verschiedenen Flaggen eines Stells werden für die praktische Handhabung mit Buchstaben (daher spricht man vom Flaggenalphabet), Ziffern und Sondernamen bezeichnet. Diese Unterteilung ist uns heute von der elektronischen Datenverarbeitung her geläufig: Alpha-Zeichen, numerische Zeichen und Sonderzeichen. An letzteren kennt das Internationale Signalbuch nur die drei Hilfsstander; die (Kriegs-) Marinen, insbesondere die NATO, führen jedoch eine Vielzahl von Sonderflaggen. In den alten Signalbüchern (im 17. und 18. Jhd.) trugen die Flaggen noch keine Namen. Sie waren für jedes Signal (oft mit ganzen Schiffssilhouetten - damals war auch noch die Flaggenführungsposition an den verschiedenen Rahen und Toppen von ausschlaggebender Bedeutung) abgebildet und konnten vom jeweiligen Benutzer von Hand koloriert werden. Nach Einführung der Quadrattafeln zur Definition von Signalnummern waren sie als Spalten- oder Zeileneingänge abgedruckt. Wie beim Buchstabieren im Telefonverkehr wird auch für die Signalflaggen ein Buchstabieralphabet (phonetic alphabet) verwendet. Das Alphabet des Internationalen Signalbuchs und der NATO kennt man, vielleicht mehr unterbewußt, von den Registriernamen der Verkehrsflugzeuge: Alfa, Bravo, Charlie, Delta, Echo, Foxtrot usw. (hier eigentlich das Alphabet der International Civil Aviation Organization - ICAO). Natürlich hatten (und haben z.T. auch heute noch) die einzelnen Marinen ihre eigenen Buchstabieralphabete, die sie dann im internen Betrieb auch auf andere Signalflaggen, z.B. die des Internationalen Codes, anwendeten. Man kann daher aus den Flaggenbenennungen, wie man sie in der Literatur findet, nicht notwendigerweise auf das verwendete Signalbuch bzw. Flaggenstell schließen. Das macht die Identifizierung von Signalflaggen ohne Bild (Foto) oder exakte vexillologische Beschreibung so schwierig.

Die Signalflaggen eines Stells werden zu Signalen bestehend aus einer bis vier (in Ausnahmefällen auch mehr) Flaggen zusammengestellt, die an einer gemeinsamen Flaggenleine untereinander gehißt werden (zu lesen von oben nach unten). Auf diese Weise erhält man bei einem Stell von 50 Flaggen, wenn man ein- bis vierstellige Signale zuläßt, insgesamt 5.647.300 verschiedene Signale. Bei Verwendung von Hilfsstandern (engl. repeaters oder substitutes), die die Wiederholung einer Flagge innerhalb eines Signals anzeigen, kann man die Anzahl der möglichen Signale erheblich vermehren, ohne daß man ein zusätzliches Stell mit an Bord nehmen müßte. Im vorstehenden Beispiel ergeben sich dann bei Verwendung von drei Hilfsstandern 6.265.050 Signale. Würde man allerdings den Hilfsstandern ihre nur nachgeordnete Funktion (sie stehen immer nur nach einer definierenden Flagge) nehmen und sie somit zu normalen (gleichberechtigten) Flaggen aufwerten, so könnte man noch mehr Signale bilden, im vorstehenden Beispiel 7.171.165 Signale. Die Menge dieser möglichen Signale soll nun zur Nachrichtenübermittlung verwendet werden, muß also einer Menge von bestimmten vorhergesehenen Nachrichten (Klartexten) zugeordnet werden. Anders herum ausgedrückt, die Klartexte müssen durch Signale verschlüsselt werden.

In der Kryptografie unterscheidet man zwischen Chiffren und Codes. Bei der Chiffre wird jeder Buchstabe (jedes Zeichen) der Nachricht im Wege der Substitution durch ein Schlüsselzeichen (in unserem Fall durch eine Signalflagge) ersetzt, während beim Code ganze Nachrichten oder Nachrichtenteile durch eine Schlüsselgruppe (in unserem Fall durch ein, meist mehrstelliges, Signal) vermittelt werden.

Für das Signalisieren mit Flaggen kommt, schon wegen der Übermittlungsgeschwindigkeit, durchweg die Verschlüsselung durch Code in Frage. Dazu werden in einem Signalbuch (= Codebuch) die Bedeutungen der einzelnen Signale niedergelegt, und zwar in zwei Teilen: einmal alphanumerisch nach den Signalen (Schlüsselgruppen), zum anderen alphabetisch nach den Bedeutungen (Klartexten als Wörter, Wortgruppen, Sätzen), ähnlich wie in einem fremdsprachlichen Wörterbuch. Natürlich kann man in einem Signalbuch nicht sämtliche in der Praxis möglicherweise einmal vorkommenden Texte erfassen. Benötigt man ein nicht enthaltenes Wort, so muß man versuchen, es durch ein ähnliches zu ersetzen, oder man muß es buchstabieren. Dazu benutzt man heute die Buchstabennamen der Flaggen im Wege der Chiffre. Die Benennung der Flaggen, die eigentlich nur zur praktischen Handhabung eingeführt worden war, erhält damit eine wesentliche Bedeutung im Rahmen der Verschlüsselung. Solange die Flaggen noch keine Buchstabennamen hatten, wurden die Buchstaben des Alphabets i. allg. einzeln im Signalbuch codiert. Als historisches Beispiel sei Nelsons berühmtes Signal von Trafalgar angeführt: das Wort "duty" mußte buchstabiert werden, weil es im Signalbuch nicht enthalten war. Auch das von Nelson gewünschte Wort "confides" war nicht enthalten, konnte aber durch das enthaltene Wort "expects" ersetzt werden. Zahlenangaben sollte man zweckmäßigerweise im Wege der Chiffre verschlüsseln; die Zuordnung von zehn Zahlenwimpeln zu den Ziffern einer Zahl stellt eine weitaus bessere Lösung dar als die, früher tatsächlich praktizierte, Codierung von Zahlen durch Schlüsselgruppen im Signalbuch.

Aus dem Vorstehenden erhellt auch, daß Hilfsstander prinzipiell nur bei der Chiffre erforderlich sind, da die in den Klartexten vorkommenden Wiederholungen von Zeichen direkt verschlüsselt werden müssen. Dagegen ist man bei der Codierung frei, den jeweiligen Klartextgruppen eine beliebige Schlüsselgruppe (Flaggensignal) zuzuordnen, wobei man alle Schlüsselgruppen mit Wiederholungen von Flaggen auslassen kann. So enthielten die älteren Signalbücher jeweils entsprechende Lücken in den verwendeten Buchstabengruppen, folglich auch keine Hilfsstander. Die deutsche Kriegsmarine verwendete nur bei Zahlenangaben, die chiffriert wurden, Wiederholungswimpel; bei der (überwiegend vorkommenden) Verschlüsselung durch Code dagegen nicht. Im übrigen dürften die Hilfsstander ihre Entstehung der Bennenung der Flaggen mit Zahlen oder Buchstaben zu verdanken haben, was eine lexikographische Anordnung der Signale im Signalbuch ermöglichte. Solange man die Signale bildlich darstellte, wird niemand auf die Idee von Lücken gekommen sein. Das Internationale Signalbuch führte 1931 Hilfsstander ein, wobei man mehr als 100.000 Signale "verschenkt" hat. Wie aber bereits weiter oben aufgezeigt, geht es bei der Verschlüsselung darum, die größtmögliche Anzahl von Signalen mit der kleinstmöglichen Anzahl von Signalflaggen zu erzielen.

Bei den Signalen gibt es solche, die nicht eigentlich der Nachrichtenübermittlung an einen bestimmten Signalempfänger dienen, sondern sich zur Kundbarmachung eines bestimmten Sachverhaltes an die Allgemeinheit richten, sogenannte Abzeichen. Es handelt sich um (meist einstellige) Signale, die über längere Zeit hinweg wehen, um eine bestimmte Funktion oder Tätigkeit eines Schiffes anzuzeigen, z.B. die Munitionsflagge = "B" international oder die Quarantäneflagge = "Q" international.

Allgemein bekannt ist das Internationale Signalbuch, das im wesentlichen der Handelsschiffahrt dient. Die Marinen der einzelnen Länder führen eigene geheime Signalbücher, früher vorwiegend mit einem eigenen (besonderen) Flaggenstell. Dagegen benutzen beispielsweise die United States Navy (Signalbuch 1914), die finnische Marine (Signalbuch 1932/33) und die japanische Marine (Signalbuch 1942) die internationalen Signalflaggen vermehrt um eine Anzahl von Zusatzflaggen (U.S. Navy: 63 Stück (!), Finnland: 5 Stück und Japan: 33 Stück). Im fortgeschrittenen Stadium des Zweiten Weltkrieges verwendeten die westaliierten Marinen aufgrund ihrer Erfahrungen im Geleitzugwesen mit Schiffen und Geleitfahrzeugen unterschiedlicher Nationalitäten ein gemeinsames Stell bestehend aus den internationalen Signalflaggen sowie einer Reihe von zusätzlichen Flaggen. In Fortentwicklung dieses Stells führt die NATO heute das Stell des Internationalen Signalbuchs vermehrt um 28 Zusatzflaggen, 26 Buchstabenflaggen, 10 Zahlenflaggen, 10 Zahlenwimpel, 1 Code/Antwortwimpel, 4 Hilfs/Wiederholungsstander, 17 Sonderflaggen (vgl. Farbtafel).

Bei den Signalbüchern handelt es sich um eine Codierungs- und Decodierungsanweisung. Sie ermöglicht es auch, daß sich Personen verschiedener Sprachen verständigen können, wenn sie jeweils die Signalbuch-Ausgabe einer ihnen geläufigen Sprache zur Verfügung haben. Allerdings hat das Signalisieren mit Flaggen in neuerer Zeit viel von seiner einstigen Bedeutung verloren, da man heute mit Telegrafiefunk und Sprechfunk schneller und bequemer arbeiten kann. Die (Kriegs-)Marinen greifen jedoch gelegentlich darauf zurück, wenn Funkstille gewahrt werden muß. Das Internationale Signalbuch 1969 ist in seinem Umfang gegenüber 1931 stark reduziert worden. Die Geographische Liste (bisher 134 S.) ist entfallen. Da eine solche Liste ohnehin nicht "alle Orte enthalten könnte, die bei einem Seenotfall von Bedeutung sein können, müssen geographische Namen jetzt buchstabiert oder durch Angaben in Länge und Breite ersetzt werden". Ebenso ist das bisherige Wörterbuch, das erlaubte, beliebige Sätze zu bilden, entfallen. "Jede Signalbuchgruppe hat jetzt eine vollständige Bedeutung. Bei der Auswahl der Signalinhalte ist der Versuch gemacht, alle für Seenot, Suche und Rettung, Sicherheit, navigation, Manöver, Fischerei, Meteorologie usw. wesentlichen Aussagen, Fragen und Anweisungen zu erfassen.


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